Datei:2014 Flugschrift (15) Vorsicht, die Helfer kommen!.pdf

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FLUGSCHRIFT Winter 2014

Vorsicht, die Helfer kommen!

NGOs zwischen Hilfe und Hilfsbusiness - in Palästina und anderswo Nichtregierungsorganisa-tionen (NGOs) sind in fastallen Teilen der Welt tätig.Am aktivsten in Palästina.Mit Spendengeldern undsonstigen finanziellen Zu-wendungen bauen sie Stra-ßen und Häuser, unter -stützen andere Vereinigun-gen, verteilen Aufträge undleisten Hilfe. Ihr Ruf istzweifellos ein grundsätz-lich guter: MitarbeiterIn-nen und AktivistInnen vonNGOs scheinen selbstlos zusein und zu handeln, immerdas Wohl notleidenderMenschen vor Augen. Dasssie selbst auch politischeZiele verfolgen, die nicht –oder nicht immer – auf di-rekte und uneigennützigeHilfe ausgerichtet sind,bleibt zumeist unerwähntund ausgeblendet. Ebenso,dass sie weit verbreiteteSichtweisen „auf die daunten“ quasi als geistigeHilfe mit liefern. Dies giltfür die aus der kolonialenVergangenheit gebliebenenEinstellungen von der eige-nen Über legenheit ebensowie für verbreitete antise-mitische Positionen in derMitte der deutschen Gesell-schaft, die von sozialwissen-schaftlichen Studien seitJahrzehnten auf 20% undmehr beziffert werden. Dochso legitim es ist, das Han-deln von Regierungen undUnternehmen unter die Lupezu nehmen, so legitim istdies auch in Bezug auf dieNGOs.

Projekte in der sogenannten 3.Welt stehen hoch im Kurs,seien es staatliche, seien es sol-che von NGOs oder unmittelbarvon privater Seite. Zusammenergeben sie schon seit Jahrzehn-ten ein regelrechtes Hilfsbusi-ness. Das Selbstbild wie auchdie öffentliche Präsentation sindgeprägt von Vokabeln wie „unei-gennützig“, „selbstlos“, „nach-haltig“, „hilfsbereit“, „Hilfe zurSelbsthilfe“, „Beteiligung stärken“,„genderorientiert“, „Dialog“,„fairer Handel“ oder „vor Ort beiden Menschen“. Dabei werdendrei Tatsachen übergangen:

1. Projekte sind meist wederein gleichberechtigter Aus-tausch noch ein selbstbestimm-ter Politikansatz, denn dieangestrebte Entwicklung findetvon oben nach unten statt. Bis-her hat bei spielsweise kein afri-kanisches, asiatisches odersüdamerikanisches Land ein Mi-nisterium zur Entwicklung vonEuropa. Aus Kamerun und Indienkommen auch keine Projekt-teams, um „den Deutschen” zuzeigen, wie sie eine Landwirt-schaft aufbauen können, dienicht in anderen Teilen der Weltriesige Flächen für Futtermitteloder Erdbeeren zur Winterzeitbeansprucht. Auch gut gemeinte„Hilfe zur Selbsthilfe“-Projektesind in das Korsett der Top-down-Entwicklung eingebun-den. Die „weißen“ Männer undFrauen, die andernorts Projekteaufbauen, sind immer diejenigen,die das Geld ha ben und den (ver-meintlichen) Zugang zu denFleischtöpfen im Norden. Einesolche Beziehung ist alles, nurnicht gleichberechtigt. Die Pro-jekt-MitarbeiterInnen sind nichtmit einem One-Way-Ticket un-terwegs, sondern sie haben dieRückfahrkarte und die Nummerder deutschen Botschaft in derTasche. Man weiß ja nie.

2. Selbstverständlich gibt es inder Masse von 3.Welt-Projektenauch sinnvolle. Ebenso sind Ent-wicklerInnen mitunter von ehrli-chen Motiven und aufrichtigerAnteilnahme geleitet. Erinnertsei etwa an die Unterstützungder Sandinisten im Nicaraguader 1980er Jahre durch Kaffee-brigadisten oder an die Arbeiteiniger kleinerer NGOs zum The -ma Genitalverstümmelung undbeim Zugang zu Saatgut. Aberauch diese Projekte sind in denGesamtkontext des „Entwickelns“eingebunden. Solange Menschenaus der „Dritten Welt“ keine Ent-wicklungsprojekte in Deutsch-land durchführen, bleiben dieserWiderspruch und dieses Gefällebestehen. Dabei kann es abernicht darum gehen, die Univer-salität der Menschenrechte inFrage zu stellen – trotz ihrer teil-weisen Instrumentalisierung fürdie europäische Ausbreitungsge-walt.

3. NGOs sind bei allem Anspruchzu helfen notwendigerweise auf ihren Eigenerhalt fixiert. So wirdHilfe oft ein Geschäft zum Selbst-erhalt, das zur Instrumentalisie-rung von Notleidenden führt.Die, die helfen, konkurrieren mitanderen Hilfsagenturen um dengleichen Spenden- und Zuschuss-kuchen. Aber auch die Empfän-gerInnen von Hilfe habenpersönliche wie politische Inter-essen, die von NGOs nichtimmer beachtet oder gar negiertwerden. Sie tragen Konkurrenz-kämpfe aus – auch um die Hilfs-gelder der Geber. Dabei lernensie begreiflicherweise schnell,welche Schlüsselbegriffe sie äu-ßern müssen, um in die Gunstder Zuwendungen zu kommen.Die Durchführung von 3. Welt-Projekten ist dabei geprägt vonganz bestimmten Bildern undeinem ganz bestimmten Blickauf „die da unten“: Mal sind sie„edle Wilde“ oder friedlicheSüdseeinsulaner, die in perma-nenter Freundlichkeit in son-nendurchfluteten Landschaftenkonfliktfrei vor sich hin leben;mal sind sie selbst schuld, weilsie korrupt und faul sind undsich gegenseitig die Köpfe ein-schlagen; mal sind es die bösenJuden, die als Fremdkörper auf-tauchen und die guten, autoch-thonen PalästinenserInnen vonihrer Scholle vertreiben. DieseBeispiele ließen sich fortsetzen. Für die Projektzusammenarbeitcharakteristisch ist bis heute:Die HelferInnen mit ihrem Be-dürfnis zu helfen legen mit ihrerDefinitionsmacht Menschen inanderen Teilen der Welt als Ziel-gruppe fest, die sie betreuen,zum Teil verwalten und miteinem kontrollierten Fluss mate-rieller Güter belohnen. Umge kehrthaben die EmpfängerInnen derHilfe das berechtigte Bedürfnis,Zählbares – also Geld und mate-rielle Güter – sowie Unterstüt-zung für ihre politischen Zielezu erhalten. Es geht selbstverständlich nichtdarum, allen MacherInnen von3. Welt-Projekten den gutenWillen abzusprechen. Prinzipiellist es zweifellos gut, Mitgefühlzu zeigen und anderen helfen zu wollen. Aber es ist umgekehrt auchein schmaler Grat zwischen Hilfeund Entmündigung.Vielleicht täte ein Projekte-Morato-rium gut (Ausnahme: die Katastro-phenhilfe), um sich aufWesentliches zu besinnen:

Zum Beispiel darauf,hierzulandeSolidarität mit Flüchtlingen zu übenund gleichzeitig diejenigen zur Ver-antwortung zu ziehen, die 20.000Flüchtlinge auf dem Gewissenhaben. Die Festung, die mit demSchengener Vertrag um Europa ge-baut wurde, tötet(e) sie durch Er-trinken, Erfrieren, Verhungern,Verdursten. Sie werden von dieserGesellschaft namenlos gehaltenund damit noch in ihrem Tod ent-würdigt. Im luxemburgischenSchengen erinnert kein Denkmal ansie. Die wenigen Überlebenden, diedie Festung Europa überwinden, ge-raten in Deutschland in ein Systemaus Betreuung und Verwaltung,müssen häufig in Lagern leben undwerden teilweise mit Lebensmittel-paketen buchstäblich abgespeist.Selbstbestimmung? Fehlanzeige!

Zum Beispiel darauf,ein Wirt-schaftssystem in Frage zu stellen,das für nicht wenig Leid in der Weltverantwortlich ist. Immerhin wer-den heute genügend Nahrungsmit-tel produziert, sodass niemandverhungern müsste. Alleine mit denin Europa und Nordamerika wegge-worfenen Nahrungsmitteln könntenalle Hungernden dreimal satt werden. Zum Beispiel darauf,ein Men-schenbild durchzusetzen, das Men-schen weniger als Zielgruppensieht, die es zu erreichen, zu be-treuen und schlimmstenfalls auchnoch zu verwalten gilt, sondernvielmehr als selbstbestimmte Sub-jekte. Empfehlenswert wäre es auch, sichdie Filme „Süsses Gift - Hilfe alsGeschäft“ (Peter Heller), „Fatal assi-stance“ (Raoul Peck) über die Kata-strophe der „Hilfe“ nach demverheerenden Erdbeben in Haiti und„Das Fest des Huhns“ von WalterWippersberg anzusehen, um besserzu verstehen, welche Problematikmit der „Entwicklungshilfe“ einher-geht. Wippersberg nimmt einenPerspektivenwechsel vor und drehtden ganzen Entwicklungszirkus um:Ein Filmteam aus einem nicht näherbenannten afrikanischen Land fährtzu den Einheimischen in Oberöster-reich, zwecks Erforschung ihrer ur-sprünglichen Lebensgewohnheitenhttp://www.youtube.com/watch?v=5zrjLxEjGZ8. Auch der mexikanische SoziologeGustavo Esteva bevorzugt in seinemKlassiker „FIESTA – Jenseits vonEntwicklung, Politik und Hilfe“einen Ausstieg aus den Program-men der in- und ausländischen Ent-wicklungsagenturen: „Entwicklungist ein gesellschaftliches Experi-ment im Weltmaßstab, das für dieMehrheit der Betroffenen entsetz-lich fehlgeschlagen ist. Ihre ‚Ein-gliederung’ in den Weltmarkt zufairen und gleichen Bedingungenist zunehmend undurchführbar,während sich der Abstand zwischenZentrum und Peripherie konstantvergrößert. (...) Entwicklung ist einheimtückischer Mythos, dessenbloße Existenz die Mehrheit derWeltbevölkerung bedroht, da erihre üble Lage in einen chronischenAlptraum verwandelt – das ist dieentwürdigende Modernisierung derArmut.“ (Esteva 1995, 56 ff.)Sobald aus Afrika, Asien und Süd-amerika auch Projektteams nachDeutschland kommen und bei-spielsweise Projekte gegen ver-deckte Armut undLebensmittelverschwendung auf-bauen, können „wir“ „uns“ entwick-lungspolitisch dort auch wiedereinbringen.


Obwohl es auf dieser Welt weitausschlimmere Krisenregionen gibt alsdie palästinensischen Gebiete, istdie Dichte der Nichtregierungsor-ganisationen dort die weltweithöchste. Mehr als 1.000 NGOs gibtes alleine im Westjordanland1– ei-nem Gebiet, das gerade einmal sogroß ist wie das Bundesland Hes-sen. Man könnte vermuten, dassdiese große Zahl damit zusammen-hängt, dass die „internationaleStaatengemeinschaft“ und die Ver-einten Nationen zu wenig für diePalästinenserInnen2tun. Doch da-mit ginge man fehl, denn pro Kopfempfängt weltweit niemand mehrausländische Finanzhilfen als diePalästinenserInnen (wobei oft imDunkeln bleibt, wohin diese Unter-stützung dort eigentlich genaufließt, wem sie zugute kommt undwofür sie verwendet wird3). DieUNO hat den PalästinenserInnenaußerdem sogar ein eigenes Flücht-lingshilfswerk eingerichtet, nämlichdie United Nations Relief andWorks Agency for Palestine Refu-gees in the Near East (UNRWA),während alle anderen Flüchtlingeauf dieser Welt in die Zuständigkeitdes UNHCR fallen. Generell lässt sich nicht ernsthaftbehaupten, dass die Verhältnisse inden palästinensischen Gebieten dieschlimmsten auf dem Erdball seien:Die Lebenserwartung der Bewohne-rInnen des Gazastreifens etwa be-trägt 74 Jahre und ist damit höherals in Ägypten, der Türkei und überhundert weiteren Staaten4. Die Kin-dersterblichkeit hat ungefähr dasNiveau von Bulgarien und liegtniedriger als in den meisten süd-und mittelamerikanischen Ländern5.Die Bevölkerungsdichte ist nichtwesentlich höher als die Münchens oder Berlins und erheblich geringerals etwa jene von Mexiko-Stadt6. Gottesstaat im Gazastreifen Nicht wenige NGOs zeichnen vonden palästinensischen Gebieten,insbesondere vom Gazastreifen, je-doch ein gänzlich anderes Bild –nämlich das eines besetzten undbelagerten Landstrichs, in dem die Bevölkerung vom israelischen Staatund seiner Armee eingesperrt, umihre Lebensgrundlagen gebrachtund immer wieder grundlos mitKrieg überzogen wird. Dass der Ga-zastreifen von der islamistischen,antisemitischen Hamas beherrschtwird – die in diesem Gebiet seit ih-rem im Januar 2006 mit absoluterMehrheit errungenen Wahlsieg eineArt Gottesstaat errichtet hat, jedeForm von (politischer, religiöseroder sexueller) Abweichung brutalverfolgt und Israel am liebsten vonder Landkarte radieren würde –, istfür sie in aller Regel so wenig einThema wie das autoritäre, korrupteRegime der Fatah im Westjordan-land. Die weitaus meisten Nichtre-gierungsorganisationen, die mitdem sogenannten Nahostkonfliktbefasst sind, suchen die Schuld fürvermeintlich oder tatsächlich men-schenunwürdige Zustände in den palästinensischen Gebieten nahezuausschließlich beim jüdischen Staat– nicht selten unter Berufung aufmehr als fragwürdige UN-Resolu-tionen.Auch die Hilfe, die den Palästinen-serInnen seitens der NGOs zuteilwird, mutet bisweilen äußerstzweifelhaft an. So beteiligten sichbeispielsweise die deutschen Sek-tionen der HilfsorganisationenIPPNW (Internationale Ärzte für dieVerhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung) und PaxChristi im Mai 2010 an der soge-nannten Free-Gaza-Flotte. Dabeihandelte es sich um einen Schiffs-konvoi, der, mit vermeintlichenFriedensaktivistInnen und Hilfsgü-tern beladen, Kurs auf den Gaza-streifen genommen hatte und er-klärtermaßen die dortige, in denAugen der AktivistInnen illegaleSeeblockade durchbrechen wollte.In den internationalen Gewässernvor der Küste von Gaza stoppten is-raelische Spezialeinheiten dieSchiffe schließlich. Auf dem größ-ten Schiff, der türkischen „MaviMarmara“, wurde die israelischeEinheit gleichwohl beim Entern mitEisenstangen, Äxten und Messernangegriffen – und zwar von mehre-ren Dutzend türkischen Islamisten,die auf dem Oberdeck das Kom-mando innehatten. Die daraus re-sultierenden Auseinandersetzungen endeten mit neun Toten und zahl-reichen Verletzten. Als der Konvoi schließlich komplettaufgebracht war, zeigte sich, dassdie Fracht der Schiffe zu einemnicht geringen Teil aus wertlosemSchrott bestand, beispielsweise ab-gelaufenen Medikamenten, ausran-gierten Rollstühlen und gebrauch-tem Spielzeug7. Könnte es sein, dasses den AktivistInnen weniger darumging, notleidenden PalästinenserIn-nen zu helfen, als vor allem darum, für Bilder zu sorgen, mit denen Is-rael als brutal und unmenschlichvorgehende Besatzungsmacht an-geklagt werden kann? Falls ja, gingdas Kalkül auf: Medien und Politikempörten sich über das israelischeVorgehen gegen die vermeintlichharmlosen Friedensfreunde, derDeutsche Bundestag forderte in ei-ner Resolution gar einstimmig (!)die Beendigung der Blockade desGazastreifens8. Und die Hamasfreute sich über einen propagandis-tischen Coup. Zu wenig Distanz gegenüber Hamas Nicht nur die „Free-Gaza-Flotte“hat deutlich gemacht, dass dieFrage gestellt werden muss, ob estatsächlich das Anliegen von NGOsist, PalästinenserInnen in Not zuunterstützen und darüber hinauseinen Beitrag zu einer friedlichenBeilegung des sogenannten Nah-ostkonflikts zu leisten, oder ob diePalästinenserInnen nicht vielmehrvor allem eine Projektionsfläche fürdie Abneigung gegenüber dem jüdi-schen Staat sind. Wenn beispiels-weise der Gazastreifen ein „erwei-tertes Freiluftgefängnis“ ist, wieetwa Matthias Jochheim – stellver-tretender Vorsitzender der deut-schen Sektion der IPPNW und Pas-sagier auf der „Mavi Marmara“ –behauptet9, dann müsste er dafürnicht Israel, sondern die Hamasverantwortlich machen. Denn sie istes, die den Schlüssel in der Handhält, zumal sich die israelische Ar-mee schon 2005 vollständig ausdiesem Gebiet zurückgezogen hat.Eine Unterstützung, in deren Zen-trum tatsächlich das Wohl der Pa-lästinenserInnen steht, müsste voneiner eindeutigen Distanz gegen-über der Hamas begleitet sein, de-ren Regime sich durch eine rigideislamische Herrschaft, Frauenunter -drückung und Schwulenhass aus-zeichnet – und die in ihrer Chartadie Vernichtung Israels als unabän-derliches Ziel festgeschrieben hat.


Die zwei UN-Flüchtlingshilfswerke: In die Zuständigkeit des Flüchtlings-hilfswerks der Vereinten Nationen(UNHCR) fallen derzeit rund 10,4Millionen Flüchtlinge weltweit (1),während das Palästinenser-Hilfs-werk UNRWA etwa 5,3 MillionenPalästinenser als Flüchtlinge regis-triert hat – wobei es sich bei dererdrückenden Mehrheit dieserMenschen nicht um Flüchtlingehandelt, sondern um Nachkommenvon rund 900.000 palästinensischenArabern, die 1948/49 den neu ge-gründeten Staat Israel verlassenhatten (oder verlassen mussten)und von der UNRWA als Flüchtlingegeführt wurden – der Flüchtlings-status wird also regelrecht vererbt.Das Budget des UNHCR belief sichim Jahr 2012 auf etwa 4,3 Milliar-den US-Dollar, das der UNRWA imJahr zuvor auf rund 1,2 MilliardenUS-Dollar (2). Die UNRWA ist „diegrößte Einzelorganisation der Ver-einten Nationen„ und mit 22.000örtlichen Arbeitskräften „der größteArbeitgeber in der Region nach demöffentlichen Dienst” (3).

Hamas will Palästina ohne Israel: „Der Exilchef der radikal-islami-schen Hamas, Chaled Maschaal, hatjeglichen Zugeständnissen bei Ver-handlungen über das Gebiet einesPalästinenserstaates eine Absage erteilt. Bei einer Feier zum 25. Jah-restag der Hamas-Gründung inGaza-Stadt sagte er: „Palästina vonder See bis an den Fluss, vom Nor-den bis zum Süden ist unser Land,unser Recht und unsere Heimat.”Mit „See” ist das Mittelmeer gemeint,mit „Fluss” der Jordan – und damitdas Gebiet, in dem auch Israel liegt.Dieses Gebiet sei „arabisch und isla-misch” und gehöre nur den Palästi-nensern. „Wir können keinen Zollbreit und keinen Teil davon abge-ben”, sagte Maschaal vor jubelndenAnhängern. „Wir können außerdemweder die Legitimität der BesetzungPalästinas noch Israel selbst aner-kennen.” tagesschau.de, 8. Dezember 2012,http://www.tagesschau.de/aus-land/hamas172.htmlCharta der Hamas, Artikel 7:„Die Hamas ist eines der Glieder inder Kette des Dschihad, die sich derzionistischen Invasion entgegen-stellt. Die Zeit wird nicht anbrechen,bevor nicht die Muslime die Judenbekämpfen und sie töten, bevor sichnicht die Juden hinter Felsen undBäumen verstecken, welche ausru-fen: ‚Oh, Muslim! Da ist ein Jude, dersich hinter mir versteckt; komm undtöte ihn!’ ”(Zitiert nach: http://usahm.info/Do-kumente/Hamasdeu.htm.

Doch diese Form der Unterstützunggibt es so gut wie gar nicht. ImZentrum der Politik vieler mit dem„Nahostkonflikt“ beschäftigtenNGOs stehen vielmehr die Dämoni-sierung und Delegitimierung Isra-els; nicht selten wird dem jüdi-schen Staat sogar vorgeworfen,eine Politik der Apartheid zu betrei-ben und Verbrechen gegen dieMenschlichkeit zu begehen. Die vonJudenhass geprägte Politik der Ha-mas und der Fatah10wird dabei ein-fach ausgeblendet. Die Motivationdieser NGOs ist letztlich keineswegseine pro-palästinensische, sondernvor allem eine gegen Israel gerich-tete, die antisemitische Züge trägt.Die PalästinenserInnen sind ledig-lich Mittel zum Zweck, sie werdeninstrumentalisiert, zu Objekten ge-macht. Sofern ihr Leid nicht von Is-rael verursacht wird, sondern bei-spielsweise vom Libanon – einemLand, in dem für die Palästinenser-Innen tatsächlich apartheidähnlicheZustände herrschen11–, interessiertsich kaum noch eine NGO für sie.12

„Heer jungerKurzzeithelfer“ Eine Beilegung des sogenanntenNahostkonflikts – oder gar ein Frie-den – wird auf diese Weise nicht zuerreichen sein. Aber möglicherweise geht es den NGOs trotz anderslau-tender Bekundungen auch gar nichtdarum. Denn längst hat sich ein re-gelrechtes Hilfsbusiness entwickelt,das sich von dem Konflikt buch-stäblich nährt – eine Entwicklung,die auch in anderen Erdteilen undbei anderen Konflikten in ähnlicherForm zu beobachten und zu bekla-gen ist. Viele MitarbeiterInnen vonNGOs wären arbeitslos, wenn es ihnnicht mehr gäbe, denn ein Ende vonKrieg und Krise im Nahen Ostenwürde ihre Tätigkeit schlichtwegüberflüssig machen. Insoferndrängt sich die Frage auf, ob sienicht auch ein materielles Interessedaran haben, die gegenwärtigenZustände, die sie vordergründig kri-tisieren, zu perpetuieren und sichdabei scheinbar auf der Seite derEntrechteten und Unterdrückten zupositionieren. Hinzu mögen sich, glaubt manSpiegel Online, auch noch Abenteu-erlust und Partyfeeling gesellen. Ein„Heer junger Kurzzeithelfer“ ziehenachts feiernd umher und genießeein Leben, das den meisten Palästi-nensern verwehrt bleibe, heißt es ineinem Artikel vom Januar 201213.Die Projektmanagerin einer medizi-nischen amerikanischen NGO wirdmit den Worten zitiert: „Palästinaist das bestgehütete Geheimnis inder Hilfsindustrie. [...] Es klingt coolund gefährlich, weil es als Kriegsge-biet bezeichnet werden kann, abertatsächlich ist es ziemlich sicherund hat all den Komfort, den Inter-nationale wollen.“

UNO: Menschenrechte nach dem Geschmack der Mehrheit „Die unantastbare Souveränitätdes Nationalstaates ist Grund-lage und Modus Operandi derWeltorganisation [UN0]: einStaat – eine Stimme. Die Quali-tät der internationalen Men-schenrechtspolitik wird dem-entsprechend zu einer Frage derMehrheit, und die ist in fast al-len UN-Gremien, den Sicher-heitsrat ausgenommen, auf derSeite der arabischen und isla-mischen Länder. [...] Innerhalbdieser Mehrheit hilft man sichgegenseitig, wählt sich in Men-schenrechtsgremien und sorgtdafür, dass Menschenrechtsver-letzungen im eigenen Landnicht zur Sprache kommen.Gleichzeitig sind Angriffe aufIsrael das allgemein anerkannteMittel, um das eigene Engage-ment in Menschenrechtsfragenzu demonstrieren.“(Aus: LottaGrinstein: Diktatur der Mehr-heit, Jungle World, 16. April2009,http://jungleworld.com/arti-kel/2009/16/34049.html.) So verabschiedete beispiels-weise die UN-Generalversamm-lung in den Jahren 2012 und2013 jeweils 22 Resolutionen,die sich gegen Israel richteten,und gerade einmal jeweils viergegen andere Staaten. Amnesty International und die „Troubled Waters“ Ende 2010 veröffentlichte AmnestyInternational einen 112 Seiten um-fassenden Bericht mit dem Titel„Troubled Waters – den Palästinen-sern wird ein gerechter Zugang zumWasser verweigert“.Dort heißt es:„Der tägliche Frischwasserkonsumder in den besetzten Gebieten leben-den Palästinenser liegt bei rund 70 Li-tern pro Kopf – und damit deutlichunter der Menge von 100 Litern, dievon der Weltgesundheitsorganisation(WHO) empfohlen wird.“Demgegenüber verbrauche ein Israelitäglich im Schnitt über 300 LiterWasser, also mehr als das Vierfache.Der Grund für diese Differenz liege inder „diskriminierenden israelischenPolitik“, die sowohl gegen verschie-dene Abkommen als auch gegen in-ternationales Recht verstoße. DerZugang der PalästinenserInnen zuden Wasserressourcen, behauptetAmnesty, werde massiv einge-schränkt und behindert, unter ande-rem dadurch, dass Israel über 80Prozent der einzigen palästinensi-schen Bezugsquelle in der Westbankfür sich beanspruche und Wasser-speicher und Bewässerungssystemein palästinensischen Dörfern zer-störe. Offen bleibt dabei, woher Amnestyüberhaupt die Verbrauchszahlen hat– eine Quelle für sie wird im Berichtnämlich nicht genannt. Andere Sta-tistiken kommen zu wesentlich we-niger alarmierenden Ergebnissen,beispielsweise eine Erhebung des inRamallah ansässigen PalestinianCentral Bureau of Statistics. Dem-nach verbrauchte im Jahr 2007 jederBewohner in den palästinensischenGebieten durchschnittlich rund 136Liter Wasser pro Tag – also fast dop-pelt so viel wie von Amnesty ange-geben. Gar 287 Liter pro Kopf undTag hat die staatliche israelischeWasserbehörde errechnet. Zum Ver-gleich: Jeder Bundesbürger ver-braucht pro Tag im Schnitt 127 LiterWasser, jeder Österreicher 162 Literund jeder US-Amerikaner 295 Liter.Grundlage für die Wasserpolitik vonIsraelis und Palästinensern sind diebeiden Abkommen Oslo I und Oslo II.Oslo II führte zur Gründung einer ge-meinsamen Wasserkommission, desisraelisch-palästinensischen JointWater Committee (JWC). DiesemJWC gehören Vertreter beider Was-serbehörden an. Das JWC ist mit derEinhaltung und Umsetzung der Ab-sprachen befasst; eine seiner Aufga-ben besteht darin, die Wasserversor-gung in der Westbank und demGazastreifen zu verbessern. Dabeiobliegt der Palästinensischen Auto-nomiebehörde (PA) die Zuständigkeitfür die Ressourcen und die Abwas-serbehandlung in den palästinensi-schen Gebieten; Israel wiederum istverpflichtet, zusätzliche Wassermen-gen an die Palästinenser zu liefern.

Differenz wird kleiner Und tatsächlich ist deren Wasserver-brauch erheblich gestiegen, einer-seits durch infrastrukturelle Maß-nahmen, andererseits infolgeisraelischer Wasserlieferungen, derenMenge stets deutlich über der ver-einbarten lag, im Jahr 2009 sogarum 40 Prozent. Zwar verbrauchendie Israelis pro Kopf immer nochmehr Wasser als die Palästinenser,die Differenz hat sich im Laufe der Zeit jedoch stark verringert. Beson-ders deutlich wird das, wenn manden Vergleichszeitraum ausdehnt:Den Angaben der israelischen Was-serbehörde zufolge beanspruchte1967 jeder Israeli 508 KubikmeterWasser im Jahr, während es bei denPalästinensern im Westjordanlandnur 86 Kubikmeter pro Kopf waren.2007 lag der Jahresverbrauch auf is-raelischer Seite bei nur noch 153 Ku-bikmetern, während er in der West-bank auf 105 Kubikmeter gewachsenwar. Zum Vergleich: Im selben Jahrverbrauchte ein Jordanier 172, einÄgypter 732, ein Syrer 861 und einLibanese sogar 949 KubikmeterFrischwasser. Angesichts dieser Zahlen hat das is-raelische Außenministerium den Be-richt von Amnesty Internationalscharf kritisiert und der PA vorgewor-fen, erheblich gegen ihre Verpflich-tungen gemäß dem Wasserabkom-men zu verstoßen. Nach einemBericht der israelischen Wasserbe-hörde vom März 2009 betreffen dieseVerstöße zum einen das Bohren vonBrunnen, die nicht genehmigt wur-den. Darüber hinaus werden immerwieder Wasserpipelines angezapft.Dadurch gerät das gesamte Wasser-system durcheinander. Der Wasser-verlust ist enorm, er liegt in derWestbank bei etwa 33 Prozent ge-genüber elf Prozent in Israel. Zum anderen ist die Abwasserbe-handlung in den palästinensischenGebieten noch immer unzureichend.Denn das verbrauchte Wasser wird zuzwei Dritteln ohne weitere Behand-lung in die Bäche und Flüsse geleitet,sickert ins Grundwasser ein, aberAmnesty geht über all dies hinweg, und wirft Israel noch vor, über 80Prozent der einzigen palästinensi-schen Wasserbezugsquelle im West-jordanland für sich zu beanspru-chen. Gemeint ist damit derGebirgs-Aquifer, ein natürlicherGrundwasserträger, der sich über dieWestbank erstreckt und von Regen-fällen gespeist wird. Das eingesi-ckerte Wasser fließt zu verschiede-nen Quellen, die sich zu einem nichtgeringen Teil im israelischen Kern-land befinden und deren Wasser ingroßen Speichern aufgefangen wird.Hierin liegt auch ein wesentlicherTeil des Streits begründet. Dennwährend die PA – und mit ihr Am-nesty International – darauf be-steht, dass der über dem Westjor-danland niedergehende Regen größ-tenteils den Palästinensern zusteht,argumentiert die israelische Was-serbehörde damit, dass sich vieleQuellen in Gebieten befinden, diebereits vor 1967 zu Israel gehörten.Um zwischen diesen beiden Sicht-weisen einen Kompromiss zu finden,regelten Oslo II und anschließenddas JWC die Verteilung dieser Was-servorräte, die auch für Israel exis-tenziell wichtig sind. Während derjüdische Staat sich diesem Kompro-miss weiterhin verpflichtet fühlt,hält die PA die Vereinbarungen zu-nehmend für unzureichend und be-hilft sich mit den erwähnten ab-sprachewidrigen Maßnahmen.Das findet Amnesty jedoch nicht imGeringsten kritikwürdig, wie „Trou-bled Waters“ überhaupt eine einsei-tige Schuldzuweisung an Israel istund teilweise mit falschen Zahlenrechnet. Die Menschenrechtsorgani-sation hat sich in hohem Maße aufpalästinensische Angaben gestützt,ohne sie zu überprüfen. Und auchansonsten ist „Troubled Waters“ eindurch und durch ideologisches Trak-tat, mit dem Israel einseitig verteu-felt wird.

„Katastrophenhilfe ist meist rich-tig und sinnvoll. Aber der Mangelan Reflexion der meisten NGOsdarüber, inwieweit ihre ganz ‚nor-malen‘ Ent wicklungsprojekte dieglobalen Machtstrukturen verfesti-gen,ist erschreckend. Vor allemmuss auch darüber geredet wer-den, wer definiert, was Entwick-lung eigentlich ist. Das großeVersprechen der Entwicklungs hilfe- bessere und gleiche Lebensver-hältnisse für alle - wurde nichtverwirklicht.”Gertrud Selzer

„Vor allem in den palästinensi-schen Gebieten hat sich ein regel-rechtes Hilfsbusiness entwickelt,das sich vom ‚Nahostkonflikt’ buch-stäblich nährt. Viele Mitarbeitervon NGOs wären arbeitslos, wennes ihn nicht mehr gäbe. Offenbarhaben sie also neben dem ideologi-schen auch ein materielles Inte-resse daran, die Zustände, die sievordergründig kritisieren, zu perpe-tuieren.“Alex Feuerherdt

„In den palästinensischen Gebieten gibt es die höchste NGO-Dichte weltweit und die meisten‚Entwicklungshilfegelder’. Zusätzlichein eigenes UN-Flüchtlingshilfswerk,während für alle (!) anderen Flücht-linge weltweit nur ein UN-Hilfswerkzuständig ist. Und all dies soll nurAusdruck eines unpolitischen Willenszur Hilfe sein?”Hans Wolf

„Die Tätigkeit zahlreicher NGOs inden palästinensischen Gebieten hatmit humanitärer Hilfe nichts zu tun,sondern besteht in einer antisemi-tisch motivierten Dämonisierungund Delegitimierung Israels. Dievermeintliche oder tatsächliche Notder Palästinenser dient dabei nurals Vorwand, als Rechtfertigung.“Änneke Winckel

„Solange es in akuten Notsituatio-nen keine Alternative zu spenden-basierter karitativer Hilfe gibt, istdiese ein Muss. Aber in einer vonElend befreiten Welt, die allenMenschen die materiellen Voraus-setzungen dafür gibt, glücklich seinzu können, braucht es keine Spen-den mehr. An dieser World Vision zuarbeiten, wäre wirkliche Entwick-lungshilfe."Christian Stock, Redaktion iz3w

„Ich frage mich schon, was dennMenschen antreibt, andere ‚entwi-ckeln’ zu wollen und warum diesso faszinierend ist. Außerdem fälltmir bei NGO-Projekten immer ein:‚Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.’Die HilfsempfängerInnen richtensich verständlicherweise danach,was die Geldgeber wollen und ver-wenden die ‚richtigen’ Schlüssel-wörter.”Ingrid Röder

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