Datei:2019-06-09 Paulinus Bittere Orangen.pdf

Aus Archiv der Aktion 3.Welt Saar
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Nummer 23 · 9. Juni 2019PAULINUS 5

== NÄHER BETRACHTET. Was kommt nach der Flucht? Der Luxemburger Ethnologe Gilles Reckinger hat in Saarbrücken vom Schicksal afrikanischer Flüchtlinge in Süditalien berichtet.

Von Hans Georg SchneiderVöllig erschöpft, oft unter Folieneingepackt, werden sie aus Schif-fen an Land geführt: Die Bildervon der Ankunft Geflüchteter inLampedusa sind um die ganzeWelt gegangen. Die Menschen ausAfrika sind traumatisiert, aber siehaben die lebensgefährlicheFlucht über das Mittelmeer über-lebt. Doch was ist dann? Was ist mitdem Traum von einem besserenLeben in Europa? Der Luxembur-ger Ethnologe Prof. Dr. Gilles Re-ckinger ist nach Lampedusa ge-gangen und den Flüchtlingen aufsFestland gefolgt. Viele, vor allemMänner, landen im Süditalien undwerden in den kalabrischen Oran-genplantagen ausgebeutet. Indem Buch „Bittere Orangen – Einneues Gesicht der Sklaverei inEuropa“ hat Reckinger sein For-schungsprojekt zusammenge-fasst. Am 16. Mai hat der in Inns-bruck und Luxemburg lebendeEthnologe in Saarbrücken in einerVeranstaltung der Aktion 3. WeltSaar vor rund 50 Interessiertenüber seine Erfahrungen berichtet.Hungerlöhne und miserable UnterkünfteSo gut wie niemand unter denFlüchtlingen, egal welchen Statussie offiziell haben, bekommt inItalien einen Arbeitsvertrag, be-richtete Reckinger. Die Menschenseien auf sich gestellt und daraufangewiesen, zu arbeiten. In Süd-italien landeten die Männer inden Orangenplantagen und müss-ten unter menschenunwürdigenBedingungen arbeiten. Arbeit ge-be es nur von November bis März.Jeden Tag werde von den Planta-genbesitzern entschieden, wer ar-beiten darf. „Die Arbeitgeber kön-nen sich bedienen wie im Super-markt“, illustrierte Reckinger sei-ne Beobachtungen am „Arbeits-strich“ von Rosarno, einer kleinenStadt in der italienischen Stiefel-spitze. Je 20 bis 30 Männer werdenin Bussen in die Plantagen ge-bracht. Dort müssen sie für 25Euro am Tag in Nässe und Kältearbeiten. Fünf Euro gehen für denBustransfer drauf. Und Arbeit gibtes vielleicht nur fünf bis zehn Malin der Saison. Mittellos und ohnePerspektive seien die Flüchtlingezunehmend in Kalabrien gefan-gen. Zu den Hungerlöhnen, dienicht zum Überleben reichten, kä-men „schreckliche Wohnverhält-nisse“ in Containern, Zelten undSlumhütten. Unrühmlich Rolle von Politik und MafiaDie Orangenhaine in Kalabrien,meist in Familienbesitz, warenverwildert. Erst mit der Ankunftder Flüchtlinge lohnte es sich wie-der, die Orangen zu pflücken undauf dem Weltmarkt zu verkaufen,berichtet Reckinger und verweistauf die mächtige Rolle der kalabri-schen Mafia. Trotz des Elends und der ganzunterschiedlichen Herkunft sinddie Flüchtlinge untereinander so-lidarisch, hat der Autor erfahren.In dem Slum, das er erlebt hat,hatten sich urbane Strukturenausgebildet. Es gab Suppenkü-chen, „Tante-Emma-Läden“, in de-nen man Lebensmittel billig undin kleinen Mengen kaufen konn-te, es gab eine Fahrradwerkstattund vieles mehr. Dann habe deritalienische Innenminister dieseZeltstadt abreißen lassen, damitdiese Strukturen zerstört und derMafia einen großen Dienst erwie-sen, indem die ausgebildeten For-men von Solidarität und Selbsthil-fe gleich mit zerstört wurden. Was kann man tun? Auf dieseFrage aus dem Publikum konnteauch Reckinger keine einfacheAntwort geben. Im Geschäft da-nach fragen, wo die Orangen her-kommen, und sich für die Lageder Plantagenarbeiter interessie-ren, wäre eine Sache. Eine andereMöglichkeit: Politikerinnen undPolitiker auf das Problem hinwei-sen und fragen, was sie machenwollen. Grundsätzlich gehe es darum,die europäische Agrarpolitik zuändern und sich für faire Land-wirtschaft weltweit einzusetzen. InfoWer sich weiter informieren will:Gilles Reckinger: „Bittere Orangen– Ein neues Gesicht der Sklavereiin Europa“, Peter Hammer Verlag,ISBN: 978-3-7795-0590-7, 232Seiten, 24 Euro. Oder bei der Akti-on 3.Welt Saar: www.a3wsaar.de.Bittere OrangenGastbeitragKirchliche Hierarchie, der synodale Weg und die Anhörung zum neuen BistumsgesetzGedanken zur Synodenumsetzung im Bistum Trier.Von Josef FreiseKardinal Reinhard Marx hat nachder Deutschen Bischofskonferenzin Lingen zu Fragen des Miss-brauchs den „Synodalen Weg derKirche in Deutschland“ angekün-digt. Dieser sei vor dem Hinter-grund der anhaltenden Krise derKirche von der Deutschen Bi-schofskonferenz beschlossen wor-den. Der synodale Weg ist als ge-meinsamer und offener Diskussi-onsprozess von Klerikern und Lai-en über die Zukunft der Kircheangelegt. In der Tat geht es um dieÜberwindung des Zwei-Klassen-Systems von Klerikern und Laien.Dieses Zwei-Klassen-System wur-de in der Vergangenheit häufigmit der hierarchischen Grund-struktur der katholischen Kirchebegründet. Kirchliche Hierarchiekann aber nicht für eine Zwei-Klassen-Struktur herhalten.Kirchliche Hierarchie darf nichtmachtpolitisch instrumentalisiertwerden; sie hat von ihrem Ur-sprung her eine spirituelle Aus-richtung. Hierarchie bedeutet dem Wort-sinn nach heiliger Ursprung, hei-lige Herrschaft und bezeichnet inder vom Zweiten Vatikanum er-läuterten Lehre von der Kirchedas neue Gottesvolk mit JesusChristus als seinem unsichtbarenHaupt. Jesus setzte die zwölf Apos-tel ein, die die Präsenz Jesu Christiin der Kirche verdeutlichen. Hie-rarchie zielt letztlich auf die sicht-bare Stellvertretung Jesu. Die Äm-ter des Priesters, des Bischofs unddes Diakons sind sakramentaleZeichen der Gegenwart JesuChristi. Die Weihe gilt als ein un-auslöschliches sakramentales Zei-chen. Dieses sakramentale Zei-chen kann verglichen werden mitder im vierten Gebot benanntenWürde, die ein Mensch als Vateroder Mutter hat. Wer Vater bzw.Mutter geworden ist, bleibt diesdas ganze Leben hindurch. Eben-so bleibt ein Mensch, der sich alsDiakon, Priester oder Bischof Gottgeweiht hat, sein Leben hindurchDiakon, Priester, Bischof. Die hie-rarchische Struktur der Kirchehat also eine geistliche Bedeu-tung. Der Priester gewährleistetals Diener der Einheit in der Eu-charistie die Gegenwart Christi.Problematisch wird der Bezug aufHierarchie im Kirchenrecht dann,wenn das Weiheamt für die Be-gründung menschlicher Aufga-ben und Funktionen herangezo-gen und machtpolitisch instru-mentalisiert wird. Schon der Kon-zilstheologe und KirchenrechtlerKarl Mörsdorf (1909–1989) ver-wies auf die notwendige Unter-scheidung von Weihe und Aufga-be. Die Weihe ist eine Form dergeistlichen Würde; sie kann nichtzeitlich begrenzt oder entzogenwerden. Die Aufgabe der Leitungeiner Gemeinde oder eines Bis-tums kann sehr wohl zeitlich undinhaltlich begrenzt werden. DerMachtmissbrauch in der Kirchehat in dieser Vermengung vonWeihe und Leitungsaufgabe einenUrsprung. Wenn beispielsweiseein Pfarrer glaubt, kraft seinesWeiheamtes in jedem Fall dieLetztentscheidung bei Finanzfra-gen oder Personalfragen in der Ge-meinde auch gegen Mehrheitsvo-ten zu haben, dann ist das einMissbrauch seines Weiheamtes.Dass die katholische Kirche nurBischöfe zu Kardinälen ernennt –das Kardinal sein ist kein Weihe-amt –, kann als Missachtung desVolkes Gottes und insbesondereder Frauen angesehen werden.Die Kirche hat noch einen langenWeg vor sich, alle innerkirchli-chen Strukturen des Machtmiss-brauchs zu identifizieren und zubeseitigen. Wenn Bischof Willmeraus Hildesheim davon sprach,dass der Machtmissbrauch in denGenen der Kirche zu finden sei,dann ist dies kritisiert und –viel-leicht sogar gewollt – missver-standen worden. Was er meinte,war, dass der Machtmissbrauchtief in der Struktur der Kirche –beispielsweise auch im Kanoni-schen Recht – verankert ist.Einige deutsche Diözesen ha-ben aus der Vermischung vonWeiheamt und Aufgabe die Kon-sequenz gezogen, nur diejenigenpriesterlichen Dienste allein demPriester vorzubehalten, die direktmit seiner Weihe in Verbindungstehen. Das sind der Vorsitz amTisch der Eucharistie sowie dieSpendung des Beichtsakramentsund der Krankensalbung. Alle an-deren seelsorglichen Tätigkeitenteilen sie sich auch angesichts desPriestermangels mit haupt- undehrenamtlichen Laien, die auf derBasis des Priestertums aller Gläu-bigen ebenfalls Anteil an den sa-kramentalen Diensten haben. Esgibt in der Diözese Trier Priester,die mit Blick auf die Pfarrei derZukunft die zukünftige Rolle von(nicht leitenden) Priestern vonder sakramentalen Begleitung herneu in den Blick genommen ha-ben. Das ist ein wirklich zukunfts-weisender Ansatz. Er ist theolo-gisch und spirituell begründet. Hier sollen zwei Vorschläge ge-macht werden, wie im Ersten Ge-setz zur Umsetzung der Ergebnis-se der Diözesansynode 2013 –2016 die Unterscheidung vonWeihe und Aufgabe konsequenterumgesetzt werden könnte. Dererste Vorschlag: Der Vorsitz desLeitungsteams einer Pfarrei derZukunft könnte auch an einenhauptamtlichen Laien delegiertwerden. Bei der Entwicklung derPriesterzahlen ist schon jetzt ab-sehbar, dass bald nicht mehr ge-nügend Priester für die Leitungder (Groß-)Pfarreien zur Verfü-gung stehen werden. Wenn wirdie hierarchische Struktur derKirche nicht machtpolitisch, son-dern spirituell deuten, können al-le Leitungsaufgaben außer Eucha-ristievorsitz, Bußsakrament undKrankensalbung delegiert wer-den. Wenn Frauen die Leitung derPfarrei der Zukunft wahrnehmen,ist dies ein Schritt in Richtungmehr Gleichberechtigung. Die Di-özesen Osnabrück und Münchenübertragen bereits jetzt in einzel-nen Fällen die Leitung von Pfar-reien an Laien. Der zweite Vorschlag: Die vomBischof eingesetzten Leitungsper-sonen sollten von dem jeweiligenRat der Pfarrei bestätigt werden.Überall da, wo in der Vergangen-heit Bischöfe, Pfarrer und anderehauptamtliche Seelsorger/innengegen den Willen der Gläubigenmit Macht durchgesetzt wurden,trug dies zu Spaltungen in der Kir-che bei. Die Bestätigung des Lei-tungsteams durch den Rat derPfarrei beugt dieser Gefahr vonSpaltungen in der Kirche vor. Wenn die Pfarreien der Zukunftauch von Laien, Männern wieFrauen, geleitet werden könnenund wenn die vom Bischof einge-setzten Leitungen einer Pfarreivom Rat der Pfarrei bestätigt wer-den müssen, wird die Zwei-Klas-sen-Trennung in Kleriker und Lai-en ein Stück weit überwundenund wir gehen damit einen deutli-chen Schritt in Richtung einer sy-nodalen Kirche. Unser Autor Dr. Josef Freise war biszu seinem Eintritt in den Ruhe-stand 2017 Professor für Sozialwe-sen an der Katholischen Hoch-schule Nordrhein-Westfalen inKöln. Der Theologe engagiert sichehrenamtlich in der Kirche vonNeuwied.Gedanken zur Synodenumsetzung:Dr. Josef Freise.Foto: Bruno SonnenIm Alter von 91 Jahren istder langjährige Trierer Diözesankonservator undKustos („Hüter“) desDomschatzes, ProfessorDDr. Franz Ronig, am 21.Mai in Trier gestorben(vgl. „Paulinus“ vom 26.Mai, Seite 1).Dompropst Prälat Werner Rösselwürdigte den emeritierten Dom-kapitular als Menschen, der essich zur Lebensaufgabe gemachthabe, „das, was Menschen in reli-giöser Architektur und Kunst ge-schaffen haben, zu erhalten“. Rös-sel erwähnte in diesem Zusam-menhang besonders die Renovie-rung des Hohen Domes zu Trier,an der Ronig ab 1966 maßgeblichbeteiligt war. „Ihm ging es darum,Freude an den Formen und Farbenweiterzugeben als lebendige Spra-che“, sagte Rössel. „Als Zeugen derFrohen Botschaft wollte er die‚Stummheit‘ der Objekte auflösenund sie in den Dienst der Vereh-rung Gottes stellen.“Ronig wurde am 11. September1927 in Troisdorf geboren. Der da-malige Trierer Bischof Dr. Matthi-as Wehr weihte ihn am 3. April1954 in Trier zum Priester. Ronigwar als Seelsorger in Saarbrückenund Eppelborn eingesetzt undspäter als Lehrer tätig an der Mar-schall-Ney-Schule in Saarbrückenund am Gymnasium der Franzis-kanerinnen auf Nonnenwerth. Ab1963 studierte er in Bonn; zwi-schenzeitlich war er Assistent amKunsthistorischen Institut derUniversität Saarbrücken. Im Janu-ar 1966 wurde er zum „Dr. phil“promoviert. Seit diesem Jahr lehr-te er Geschichte der christlichenKunst und kirchliche Denkmal-pflege an der Theologischen Fa-kultät Trier; später war er auchHonorarprofessor für Kunstge-schichte an der Universität Saar-brücken. 1989 wurde Ronig zumHonorarprofessor an der Universi-tät Trier ernannt; die Theologi-sche Fakultät Trier promovierteihn 1990 zum Ehrendoktor.Im Jahr 1966 begann auch seinlangjähriger Dienst an den Kunst-,Bau- und Kultusobjekten der Tri-erer Kirche: Ronig wurde Bistums-konservator und Leiter der Abtei-lung „Bau und Kunst“ im Bischöf-lichen Generalvikariat. Ab 1971bekleidetet er auch das Amt desLeiters der kirchlichen Denkmal-pflege und wurde zum Kustos(„Hüter“) des Domschatzes. In die-sem Bereich übernahm er zahlrei-che weitere Ämter, etwa als Mit-glied im Landesbeirat für Denk-malpflege und der Arbeitsgemein-schaft Kirchlicher Museen undSchatzkammern. Bereits 1978 war Ronig zumPäpstlichen Ehrenkaplan („Mon-signore“) ernannt worden; ab1994 war er Domkapitular an derHohen Domkirche Trier, 2005wurde er zum Päpstlichen Ehren-prälaten ernannt. Auch im weltli-chen Bereich wurden Ronig Eh-rungen zuteil: Er war Ehrenmit-glied der Historischen Sektion desluxemburgischen Großherzogli-chen Instituts, Träger des polni-schen „Ordre du Mérite Cultural“,Träger des Ehrenbriefes der StadtTrier. Im Mai 2005 wurde Ronigdas Verdienstkreuz am Bande desVerdienstordens der Bundesrepu-blik Deutschland verliehen.Das Requiem, dem Bischof Dr.Stephan Ackermann vorstand,fand am 29. Mai im Trierer Domstatt; anschließend erfolgte die Bei-setzung auf dem Friedhof im Dom-kreuzgang. bipEr war Hüter des TriererDomschatzesNur auf den ersten Blick ein Idyll. Obstplantage in Kalabrien. Foto: imago imagesProfessor Gilles Reckinger in Saarbrü-cken. Foto: Hans Georg Schneider Im Alter von 91 Jahren gestorben:Franz Ronig.Foto: Bistum Trier

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