Datei:2019-05-23 jungle world (52) Ordnung und imperialer Blick.pdf: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 21. Mai 2020, 14:18 Uhr

Krauts und Rüben – der letzte linke Kleingärtner, Teil 52

Ordnung und imperialer Blick

Die dicken Bohnen und die Zuckererbsen stehen in Reih und Glied. Die Keimquote liegt über 90 Prozent. Kein Wunder, schließlich habe ich das Saatgut selbst nachgebaut und nicht gekauft. Überhaupt, bei der gekauften Ware weiß man nie, wer da alles die Finger drin hat; möglicherweise gar die böse Industrie. Und als guter Öko weiß man, dass Industrieware ganz schlimm und ganz böse ist. Gelernt ist gelernt. Auch ein Ressentiment muss man sich erst mal aneignen und dann mit größtmög­licher Selbstdisziplin praktizieren. Von selbst passiert das nicht. Wenn ich mir die geraden Reihen ansehe, dann steigt meine Achtung vor dem Kleingärtner, der hier so akkurat gearbeitet hat – ohne GPS und sonstiges IT-Zeugs. Richtig gute Handwerksarbeit. Kein Wunder, dass alles nach Plan verläuft. Schließlich habe das ­alles ich gemacht, der größte Kleingärtner aller Zeiten (Grökaz).

Beim Blick auf die Reihen kann ich mir einen klitzekleinen ­imperialen Blick nicht verkneifen. Ich denke mir dann einfach die sechs Meter langen Reihen ein paar Kilometer weiter. Was wäre das für ein Anblick: Alles steht in Reih und Glied, und zwar kilometerlang. Wenn ich mich schon meiner Phantasie hingebe, dann können die Reihen gleich Hunderte Kilometer lang sein. Am besten wäre die Erde eine Scheibe. Hügel, Berge, Flüsse und sonstige Unterbrechungen – von Autobahnen will ich erst gar nicht reden – stören nur den gärtnerischen Fluss des Notwendigen. Flach, gerade und ordentlich, so soll es sein, so hat es unsereiner gerne.

Zurück in den Garten: Eigentlich hatte ich die dicken Bohnen und die leckeren Zuckererbsen zwei Wochen zu spät gelegt – erst Anfang April statt bis Mitte März. Aber sie haben den Rückstand schon prächtig aufgeholt. Die Erbsen stehen jetzt nicht nur in Reih und Glied, sondern wurden von mir schon mit Rankhilfen versehen. »The same procedure as every year.« Dafür verwende ich Estrichmatten, die zwar für andere Zwecke hergestellt wurden – selbstverständlich industriell –, aber mit meiner zupackenden und phantasiegetriebenen Schaffenskraft habe ich ihnen eine Brücke in meinen Gartenkosmos geschaffen.

Die Erbsen können bis zu zwei Meter hoch werden. Das hängt von der Bodenqualität, der Sonne und dem Regen ab. Die dicken Bohnen brauchen keine Rankhilfe, weil sie stehen selbständig. Sie werden nicht ganz so hoch, etwa einen Meter. Genau wie Erbsen ­gehören sie zu den Leguminosen und reichern an ihrem Wurzelwerk Stickstoff an, der in der Luft im Übermaß vorhanden ist. ­Neben den eiweißhaltigen Früchten, die sie hervorbringen, verbessern sie damit erheblich die Bodenqualität, sofern man die Wurzeln nach der Ernte im Boden lässt. Aber so weit ist es noch nicht. Die Ernte der Zuckererbsen und der dicken Bohnen beginnt – leicht versetzt, mit den Erbsen angefangen – ab Mitte Juni.

Bekannte außerhalb meines Gartenkosmos haben mir berichtet, dass in der anderen Welt Ende Mai Wahlen seien. Aha. So was gibt es also. Sie sprachen viel von Schicksal und Zukunft. Das klingt wie »auf zum letzten Gefecht«. Es muss ein bedeutendes Ereignis außerhalb meines Gartens sein. Schließlich sind Schicksal und Zukunft meine täglichen Wegbegleiter. Mal sehen, ob ich mich an diesem Tag auf den Weg mache und meinen Garten verlasse.

Zuverlässiger als jede Partei mit ihren ollen Versprechen ist die Rucola in meinem Garten. Die wächst immer. Absolut zuverlässiges Kraut. Die kann man von März bis September ins Freie säen.

Nur die Hühner machen mir Sorgen. Drei sind einfach zu wenige für die Fläche, die sie zu beackern haben und auf der sie den Boden frei halten sollen. Obwohl ich ihren täglichen Arbeitseinsatz bereits sehr eng getaktet habe, kommen sie nicht hinterher. Ich kann leider aus dem Federvieh nicht mehr herauspressen. Ich befürchte, dass mir nur die Entscheidung übrig bleibt, die auch andere Arbeitgeber eher widerwillig treffen: noch ein paar Zweibeiner einstellen, obwohl das mehr Lohn, also Futter, kostet. Immerhin stimmt die Eierproduktion. Die Hühner sind wie unsereiner – ein bisschen mehr Wärme tut ihnen gut. Menschen haben viele Gemeinsamkeiten mit Tieren. Das ist doch ein schönes, weil friedliches und harmonisches Schlusswort.

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