Datei:2019-04-25 jungle world (51) Die junge Garde des Ökotariats.pdf: Unterschied zwischen den Versionen

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Krauts und Rüben – der letzte linke Kleingärtner, Teil 51
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== Die junge Garde des Ökotariats ==
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'''Dank »Fridays for Future« streitet Deutschland über das Langweilerthema »Schulpflicht«. Falsche Diskussion: Es sollte nicht um die Abschaffung der Schulpflicht, sondern die Einführung der Arbeitspflicht gehen.'''
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»Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein«, sangen die drei damals sehr jungen Gründungsmitglieder der Band Toco­tronic im Jahr 1995. Sie behielten recht. 24 Jahre nach Veröffentlichung des Songs ist bei den heutigen jungen Leuten schwer was los. »Fridays for Future« ist in aller Munde. Die ökologisch und anderweitig engagierten Erwachsenen sind begeistert und erleben allerhand Frühlingsgefühle.
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Toll, toll – so lässt sich’s gut leben. Gemeinsam mit dem unweiger­lich aufkommenden Frühling atmet unsereiner das Gefühl von ­Jugendlichkeit ein. Da spürt man es wieder: Gefühle sind wichtig. Ohne Gefühle ist man nur ein halbes Etwas im kosmischen und ­irdischen Zusammenhang.
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Dabei ist die Diskussion über »Fridays for Future« für mich – ich bin ja sozusagen als Kleingärtner die Zukunft – arg fehlgeleitet. Statt über den langweiligen Ladenhüter »Schulpflicht« zu streiten, sollte man sich dem Wesentlichen zuwenden: Arbeitspflicht; doch dazu später.
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Ein bisschen Schulschwänzen jedenfalls hat noch niemandem ge­schadet. Weder einem Schüler noch einer Schule noch einer Lehrerin. Ein bisschen abweichendes Verhalten gehört zum Leben wie zu meinem Garten. »Hurra, hurra die Schule brennt«, sang einst die olle Kapelle Extrabreit. Und ja, die Institution Schule hat es überlebt und ist seit Jahrzehnten Spielfeld für alle möglichen ­politischen NGO-Plan­scher. Zu praktisch allen Politikfeldern werden schulische Projekte aufgelegt. Das hat den Vorteil evaluationssicherer Teilnehmer­zahlen und eines guten Gefühls.
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Womit wir wieder bei den Gefühlen im Hier und Jetzt wären. Die sind bekanntlich wichtig. Stimmt, das hatte ich schon gesagt. Selbstverständlich wird dabei das Wesentliche nicht erwähnt. Das Kli­ma geht deshalb den Bach runter, weil der Gesamtzusammen­hang ein kapitalistischer ist. Und der kümmert sich im Wesentlichen nur um seinen irrationalen Selbstzweck der immerwährenden­ Verwertung des Werts, die ohne Wachstum nicht zu haben ist.
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Damit alles bleibt, wie es ist, muss die spannende Frage, wie mit dem Klimawandel umzugehen sei, ausgeklammert werden. Ein bisschen Protestklamauk ist jedoch erlaubt. Ähnlich laufen die immer gleichen Projekte des Erinnerns an den Nationalsozialismus ab – ­allerhand Gedenken an die toten Juden. Je toter, umso wertvoller fürs Gedenken. Ausgeklammert wird dabei das Denken an die leben­den Juden und ihren Staat, die man beide – ich formuliere es mal vor­sichtig – unterstützen könnte. Dann würde man dem Gedenken­ an die toten Juden ein bisschen mehr als pädagogische Selbstbeweih­räucherung folgen lassen.
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Zurück zur Arbeitspflicht: Die sollte statt der Schulpflicht in den Mittelpunkt gehören. Man müsste all das junge Gemüse dazu ­verpflichten, mir und meinen Kollegen im Garten zu helfen. Sollen die sich mal den Rücken ruinieren. Es geht schließlich um die Ernährung der Menschheit. Ich würde ihnen mit meiner Erfahrung bei­stehen. Genau genommen stelle ich mir das so vor, dass ich ihnen sage, was sie zu tun haben. Ich würde überall Kameras und Lautsprecher aufstellen, damit ich den totalen Überblick über die »Fridays for Dingsbums«-Hüpfer hätte.
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Dann hätten wir viele Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Das junge Gemüse könnte weiterhin freitags demonstrieren, wenn auch nur in meinem Garten. Gleichzeitig würden sie etwas Sinnvolles tun fürs Klima, für sich, für mich, für die Welt. Also für uns alle. Für die Gemeinschaft, die keine Klassen mehr und sonstwie Trennendes kennt. Und sie würden praktische Erfahrungen sammeln, sich die Hände schmutzig machen. Die Wahrheit ist schließlich immer noch konkret. So haben es Lenin, Wladimir Iljitsch, und Merkel, Angela, formuliert. Die müssen es wissen.
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Ich würde währenddessen in meinem Kontrollraum sitzen, gelegentlich Anweisungen geben und darauf achten, dass der Arbeitsfluss nimmer endet. Wir sind schließlich in Deutschland. Maschinen und Menschen müssen rund um die Uhr in Betrieb sein. Weil ich als Kleingärtner ein wohlmeinender Mensch bin, würde ich dem jungen Gedöns ab und an ein paar Videos und Selfies zugestehen. Die könnten sie, mit meinem Logo versehen, posten und damit der Mensch­heit klar machen, wo die Musik spielt. So machen wir es. An die Arbeit, junge Garde des Ökotariats: Ihr seid der Weltrettungsverein!
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Ach ja, mein Garten: Solange das mit den jungen Leuten in meinem Garten Zukunftsmusik ist, muss ich ran. Zur Not auch freitags. Das Gehege meiner Hühner habe ich erfolgreich mit spitzen Stangen gegen unerwünschte Greifvögelangriffe gesichert. Seit meinem Mauerbau zum Schutz der Einheimischen gegen die Fremden ist wieder Ruhe und Zufriedenheit eingekehrt. Die Hühner legen Eier, scharren den Boden frei, fressen Schneckeneier und düngen mit ihren Ausscheidungen den leicht sandigen Boden. Auf den Einsatz von Schusswaffen wie Luft- und Schrotgewehr gegen Greifvögel konnte ich verzichten. Dass der eigentliche Grund darin liegt, dass ich weder solche Gewehre besitze, noch damit umgehen kann – ge­schenkt. Für den Verzicht auf Peng-Peng im Garten könnte man eine Prämie einführen. Das wäre dann eine Einkommensquelle mehr.
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[[Kategorie:2019]]
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[[Kategorie:Agrar / Ernährung]]
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[[Kategorie:Aktion 3. Welt Saar]]
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[[Kategorie:ERNA-Agrarkolumne Krauts und Rüben]]
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[[Kategorie:Landwirtschaft]]
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[[Kategorie:Roland Röder]]

Version vom 27. Dezember 2019, 03:48 Uhr

Krauts und Rüben – der letzte linke Kleingärtner, Teil 51

Die junge Garde des Ökotariats

Dank »Fridays for Future« streitet Deutschland über das Langweilerthema »Schulpflicht«. Falsche Diskussion: Es sollte nicht um die Abschaffung der Schulpflicht, sondern die Einführung der Arbeitspflicht gehen.

»Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein«, sangen die drei damals sehr jungen Gründungsmitglieder der Band Toco­tronic im Jahr 1995. Sie behielten recht. 24 Jahre nach Veröffentlichung des Songs ist bei den heutigen jungen Leuten schwer was los. »Fridays for Future« ist in aller Munde. Die ökologisch und anderweitig engagierten Erwachsenen sind begeistert und erleben allerhand Frühlingsgefühle.

Toll, toll – so lässt sich’s gut leben. Gemeinsam mit dem unweiger­lich aufkommenden Frühling atmet unsereiner das Gefühl von ­Jugendlichkeit ein. Da spürt man es wieder: Gefühle sind wichtig. Ohne Gefühle ist man nur ein halbes Etwas im kosmischen und ­irdischen Zusammenhang.

Dabei ist die Diskussion über »Fridays for Future« für mich – ich bin ja sozusagen als Kleingärtner die Zukunft – arg fehlgeleitet. Statt über den langweiligen Ladenhüter »Schulpflicht« zu streiten, sollte man sich dem Wesentlichen zuwenden: Arbeitspflicht; doch dazu später.

Ein bisschen Schulschwänzen jedenfalls hat noch niemandem ge­schadet. Weder einem Schüler noch einer Schule noch einer Lehrerin. Ein bisschen abweichendes Verhalten gehört zum Leben wie zu meinem Garten. »Hurra, hurra die Schule brennt«, sang einst die olle Kapelle Extrabreit. Und ja, die Institution Schule hat es überlebt und ist seit Jahrzehnten Spielfeld für alle möglichen ­politischen NGO-Plan­scher. Zu praktisch allen Politikfeldern werden schulische Projekte aufgelegt. Das hat den Vorteil evaluationssicherer Teilnehmer­zahlen und eines guten Gefühls.

Womit wir wieder bei den Gefühlen im Hier und Jetzt wären. Die sind bekanntlich wichtig. Stimmt, das hatte ich schon gesagt. Selbstverständlich wird dabei das Wesentliche nicht erwähnt. Das Kli­ma geht deshalb den Bach runter, weil der Gesamtzusammen­hang ein kapitalistischer ist. Und der kümmert sich im Wesentlichen nur um seinen irrationalen Selbstzweck der immerwährenden­ Verwertung des Werts, die ohne Wachstum nicht zu haben ist.

Damit alles bleibt, wie es ist, muss die spannende Frage, wie mit dem Klimawandel umzugehen sei, ausgeklammert werden. Ein bisschen Protestklamauk ist jedoch erlaubt. Ähnlich laufen die immer gleichen Projekte des Erinnerns an den Nationalsozialismus ab – ­allerhand Gedenken an die toten Juden. Je toter, umso wertvoller fürs Gedenken. Ausgeklammert wird dabei das Denken an die leben­den Juden und ihren Staat, die man beide – ich formuliere es mal vor­sichtig – unterstützen könnte. Dann würde man dem Gedenken­ an die toten Juden ein bisschen mehr als pädagogische Selbstbeweih­räucherung folgen lassen.

Zurück zur Arbeitspflicht: Die sollte statt der Schulpflicht in den Mittelpunkt gehören. Man müsste all das junge Gemüse dazu ­verpflichten, mir und meinen Kollegen im Garten zu helfen. Sollen die sich mal den Rücken ruinieren. Es geht schließlich um die Ernährung der Menschheit. Ich würde ihnen mit meiner Erfahrung bei­stehen. Genau genommen stelle ich mir das so vor, dass ich ihnen sage, was sie zu tun haben. Ich würde überall Kameras und Lautsprecher aufstellen, damit ich den totalen Überblick über die »Fridays for Dingsbums«-Hüpfer hätte.

Dann hätten wir viele Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Das junge Gemüse könnte weiterhin freitags demonstrieren, wenn auch nur in meinem Garten. Gleichzeitig würden sie etwas Sinnvolles tun fürs Klima, für sich, für mich, für die Welt. Also für uns alle. Für die Gemeinschaft, die keine Klassen mehr und sonstwie Trennendes kennt. Und sie würden praktische Erfahrungen sammeln, sich die Hände schmutzig machen. Die Wahrheit ist schließlich immer noch konkret. So haben es Lenin, Wladimir Iljitsch, und Merkel, Angela, formuliert. Die müssen es wissen.

Ich würde währenddessen in meinem Kontrollraum sitzen, gelegentlich Anweisungen geben und darauf achten, dass der Arbeitsfluss nimmer endet. Wir sind schließlich in Deutschland. Maschinen und Menschen müssen rund um die Uhr in Betrieb sein. Weil ich als Kleingärtner ein wohlmeinender Mensch bin, würde ich dem jungen Gedöns ab und an ein paar Videos und Selfies zugestehen. Die könnten sie, mit meinem Logo versehen, posten und damit der Mensch­heit klar machen, wo die Musik spielt. So machen wir es. An die Arbeit, junge Garde des Ökotariats: Ihr seid der Weltrettungsverein!

Ach ja, mein Garten: Solange das mit den jungen Leuten in meinem Garten Zukunftsmusik ist, muss ich ran. Zur Not auch freitags. Das Gehege meiner Hühner habe ich erfolgreich mit spitzen Stangen gegen unerwünschte Greifvögelangriffe gesichert. Seit meinem Mauerbau zum Schutz der Einheimischen gegen die Fremden ist wieder Ruhe und Zufriedenheit eingekehrt. Die Hühner legen Eier, scharren den Boden frei, fressen Schneckeneier und düngen mit ihren Ausscheidungen den leicht sandigen Boden. Auf den Einsatz von Schusswaffen wie Luft- und Schrotgewehr gegen Greifvögel konnte ich verzichten. Dass der eigentliche Grund darin liegt, dass ich weder solche Gewehre besitze, noch damit umgehen kann – ge­schenkt. Für den Verzicht auf Peng-Peng im Garten könnte man eine Prämie einführen. Das wäre dann eine Einkommensquelle mehr.

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