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Version vom 11. April 2020, 17:11 Uhr

Krauts und Rüben – der letzte linke Kleingärtner, Teil 47

Der letzte linke Kleingärtner geht demonstrieren, darf aber keine Rede halten

Von Schlager- und Ökoaffen

»All die ganzen Ökoaffen dürfen da reden, nur der kleine linke Gärtner nicht. Der darf das nicht.« Diese Zeilen trällere ich seit ein paar Tagen vor mich hin. In Er­innerung daran, dass Udo Lindenberg 1983 in den Sonderzug nach Pankow steigen wollte und sich bei Erich Honecker beklagte: »All die ganzen Schlageraffen dürfen da singen ... Nur der kleine Udo, der darf das nicht.« So ergeht es nun dem letzten linken Kleingärtner. Während all die supernetten Ökos bei der Demonstration »Wir haben Agrarindustrie satt« (19. Januar um 12 Uhr am Brandenburger Tor) singen – pardon: reden dürfen, bleibt unsereiner wieder außen vor. »Irgendwas mit links« passt nicht zum trauten Ökoheim. Zum sechsten Mal wurde ein Redebeitrag der Aktion 3. Welt Saar abgelehnt, zu der auch der linke Kleingärtner gehört.

Trotzdem ist die Demonstration zu Beginn der internationalen Grünen Woche wichtig. Immerhin geht es ums Fressen und Saufen.

Okay, weil das zu grob klingt, nennt man es Ernährung. Einverstanden. Schon wieder ist unsereiner nicht für die Rednerliste nominiert worden. Dabei habe ich mir richtig viel Mühe mit der Kolumne ­gegeben: zigmal das Wort Öko verwendet, zigmal etwas von Vielfalt geschrieben, zigmal für Selbstgemachtes geworben. Wenn die Ökos nur nicht so borniert wären und sich nicht gegen Linke abschotten würden. Ich dachte, dass ich und meine Hühner voll in­tegriert seien und dafür mit einem Redebeitrag belohnt würden.

Denkste. Anscheinend funktioniert Integration nur dann, wenn die Ökoobrigkeit es will und ihr Reich mit paternalistischer Geste öffnet.

Irgendwann wird die Welt uns Kleingärtnern gehören. Dann ziehe ich mit Karawanen von Kleingärtnern nach Berlin. Dann werden wir das Geschwätz von der bösen Industrie und der edlen bäuerlichen Landwirtschaft beenden. Oder habe ich das jetzt nur geträumt?

Ich hätte es wissen können. Die Spielregeln sind bekannt, aber ich verfiel wieder dem Glauben an das ökologisch Gute im Menschen.

Vielleicht habe ich nicht genug gegen die böse Agrarindustrie und fremde »außerlandwirtschaftliche Investoren« gepöbelt, habe das leuchtende Bild einer blütenweißen bäuerlichen Landwirtschaft nicht genug hochgehalten. Ach, wenn man die Industrie als Feindbild nicht hätte, müsste man sie glatt erfinden.

Dabei ist vieles, was meine Freunde im Geiste schreiben und fordern, richtig: für Saatgutvielfalt und gegen die Normierung von Saatgut, gegen die EU-Agrarpolitik, die große Höfe hoch subventioniert und kleinere Höfe »über die Wupper« oder sonstige regionale Flüsse gehen lässt. Aber wieso muss man das Agrarindustrie nennen und damit geflissentlich einen Gegensatz zur vermeintlich heilen bäuerlichen Welt konstruieren? Die Frage ist doch nicht, ob ein Bauernhof groß oder klein ist, sondern ob »wir« im Kapitalismus wirtschaften oder etwas Besseres hinbekommen. Wer das kapiert, kann sich die moralischen Appelle an die Obrigkeit und die eigene ­Klientel sparen. Die immer gleichen mahnenden Worte, was diese oder jene Agrarministerin machen müsste und sollte oder eben nicht, ermüden mich. Die gerne beschworene heile, ökologische und biologische Landwirtschaft ist beispielsweise für Hühner nur 14 Monate lang ein Ort des Lebens. Dann wird das Biohuhn aus der Eierlegehaltung herausgenommen und wandert zum Schlachter. Die Haltung lohnt sich nicht mehr, weil es nach 14 Monaten zu wenige Eier legt und zu viel frisst. Der ökonomische Gesamtzusammenhang dahinter heißt Kapitalismus und nicht Agrarindustrie. Ich muss jetzt höllisch aufpassen, dass ich dies meinen Hühnern nicht erzähle. Sie bekämen es mit der Angst zu tun, ich als ihr Chef könnte zum Messer greifen. Nein, das mache ich nicht.

An meinen Händen klebt kein Blut. Bei mir picken die Hühner bis zu ihrem natürlichen Ableben. Es sei denn, ein Fuchs, Marder oder Greifvogel sorgt für einen vorzeitigen Tod. Aber meine Hand hat noch nie ein Huhn getötet. Großes kleingärtnerisches Ehrenwort.

Irgendwann wird die Welt uns Kleingärtnern gehören. Dann ziehe ich mit Karawanen von Kleingärtnern nach Berlin. Dann werden wir das Geschwätz von der bösen Industrie und der edlen bäuerlichen Landwirtschaft beenden. Oder habe ich das jetzt nur geträumt?

Nein, das ist eine Vision für ein besseres Morgen. Jedenfalls bin ich, wenn diese Kolumne erscheint, längst auf meinem Ökotrip nach

Berlin. Um ehrlich zu sein – was kaum jemand von mir weiß: Ich liebe Schlager- und Ökoaffen. Sie haben große Gefühle und eine einfache Sicht auf die Welt. Wie im Fußballstadion, wo ich nur zwei Farben kennen und lieben oder verachten muss. Mehr Ori­entierung braucht es nicht, um Gut und Böse zu unterscheiden. Das Leben ist einfach.

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