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Rechte Gruppen feiern die Ablehnung eines Moscheeneubaus in Kaufbeuren

Bürger gegen Moschee

In einem Bürgerentscheid haben sich knapp 60 Prozent der Wähler gegen den Neubau einer Moschee in Kaufbeuren ausgesprochen. Rechte Gruppen feiern das Ergebnis als Erfolg.

Von Klaus Blees

Am 22. Juli verhinderte eine AfD-nahe Initiative im bayerischen Kaufbeuren den Umzug einer Moscheegemeinde in ein größeres Gebetshaus. Dieses sollte auf einem von der Stadt gepachteten Gelände errichtet werden. So hatten es die Stadt und der CSU-Oberbürgermeister Stefan Bosse geplant. Bei der seit 1981 bestehenden Gemeinde handelt es sich um den Türkisch-Islamischen Kulturverein, der dem Dachverband Ditib angehört. Ditib, die in Köln an­sässige Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V., untersteht ­direkt dem Präsidium für religiöse Angelegenheiten der Türkei und wird ­somit von der AKP-Regierung kontrolliert.

Die Imame werden vom türkischen Staat geschickt und bezahlt.

Für die rechten »Kaufbeurer Bürger gegen Neubau einer Ditib-Moschee« war das ein willkommener Vorwand, ihre antimuslimischen Ressentiments als Kritik am türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und seinen hiesigen Gefolgsleuten zu kaschieren. Auf ihrer mittlerweile deaktivierten Facebook-Seite hatte die Initiative eine Reihe Erdoğan-Kritiker zitiert, darunter den Grünen-Politiker Volker Beck, den oppositionellen türkischen Journalisten Can Dündar und die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Sevim Dağ­delen. Leute wie sie gehören zwar sonst zu den bevorzugten Hassobjekten des rechten Mobs, aber in diesem Fall wurden sie instrumentalisiert, um den Muslimen an Ort und Stelle eins auszuwischen. Dass all das nichts mit emanzipatorischer Kritik an islamisch begründeten Menschenrechtsverletzungen zu tun hat, zeigen die aus den Reihen der Gegeninitiative zum Ausdruck gebrachten Überfremdungsängste oder die Bezeichnung des Abstimmungsergebnisses als »grandiosen Sieg der Patrioten«.

Die rechten Ressentiments zeigten sich auch bei den Rednern, die die ­Initiative vor dem Bürgerentscheid auf ihren Kundgebungen aufbot. Neben AfD-Politikern befand sich darunter auch Michael Stürzenberger, ein regelmäßige Autor des moslemfeindlichen Blogs PI-News. Der frühere Bundesvorsitzende der rechtspopulistischen Partei »Die Freiheit« griff der Süddeutschen Zeitung zufolge die in Kauf­beuren lebenden Türken direkt an. Die friedlichen Moslems würden sich nicht mehr als friedlich erweisen, wenn sich die Mehrheitsverhältnisse änderten, sagte Stürzenberger der Zeitung zufolge. Die Initiative hatte Stürzenberger gleich zweimal zu Gast.

Der Gründer der Initiative, Werner Göpel, sagte dem Bayerischen Rundfunk zufolge, der Koran biete die Lizenz zum Töten, denn im Islam herrsche die Überzeugung, dass »Ungläubige weniger wert sind als Vieh und man sie deshalb erschlagen muss«.

Zumindest einem Teil der Aktivisten, die sich den rechten Muslimhassern in den Weg stellten, kann man keine Blauäugigkeit gegenüber Erdoğans Autokratie oder Ditib unterstellen. Die Gruppe »Bambule«, die das Bauvorhaben verteidigte, äußerte scharfe Kritik an den Verhältnissen in der Türkei und an deren Einfluss auf türkeistämmige Muslime hierzulande.

Ein Argument mancher Befürworter des Moscheeneubaus ist allerdings naiv: In den Jahrzehnten seit Bestehen der Moscheegemeinde sei die Zusammenarbeit mit der Stadt immer gut gewesen, es habe keine von dort ausgehenden antidemokratischen Bestrebungen gegeben. Es gehört nämlich zur Marketing­strategie ultrakonservativer Islamverbände wie Ditib, sich als dialogbereit und »gemäßigt« zu präsentieren.

Befürworter betonen auch, die Verpachtung des Geländes hätte der Stadt Kontrollmöglichkeiten verschafft. In dem Vertrag sollte nämlich festgeschrieben werden, dass das Erbbaurecht bei bestimmten Verstößen an die Stadt zurückfällt, so bei von der Moschee ausgehenden Bestrebungen, die »die freiheitlich demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährden«. Eine Ablehnung des Neubaus auf städtischem Grund werde die Moscheegemeinde dazu veranlassen, ein Privatgrundstück zu kaufen, wobei dann entsprechende Kontrollmöglichkeiten entfielen. Letzteres stimmt ­allerdings nicht, denn gegen illegale Aktivitäten könnte auch dann sehr wohl vorgegangen werden.

Der Vorsitzende der Gemeinde, ­Osman Öztürk, bestreitet, dass Ditib Einfluss nehme. Allerdings steht die postulierte Autonomie der Moscheegemeinde im Widerspruch zu der Tat­sache, dass sie Teil von Ditib ist. Wenn diese Gemeinde sich der Bevormundung durch die Türkei und durch den Ditib-Dachverband entziehen möchte, warum verlässt sie dann nicht Ditib und kons­tituiert sich als eigenständiger Verein?

Hellhörig sollte in diesem Zusammenhang machen, dass die Ditib-Jugend Kaufbeuren die Petition »Ditib unterstützen – Nein zur Isolation des größten deutschen Islamverbandes!« beworben hat. Die Jugendorganisation der Kaufbeurer Gemeinde solidarisiert sich mit dem Dachverband, der wegen seiner Nähe zu Erdoğan und wegen seiner islamistischen und türkisch-nationalistischen Bestrebungen zu Recht kritisiert wird. Die Regierungen verschiedener Bundesländer beginnen, ihre Zusammenarbeit mit Ditib zu überdenken, zum Beispiel bei der Ausrichtung islamischen Religionsunterrichts.

Wie der rechte Mob sich durch den Ausgang des Bürgerentscheids ermutigt fühlt, zeigt sich an den Beleidigungen und Drohungen, denen die Befürworter des Moscheeumzugs seither unter an­derem in Form anonymer E‑Mails ausgesetzt sind.

Es bleibt die Notwendigkeit, sowohl die Kaufbeurer Ditib-Gemeinde als auch ihre rechten Gegner genau im Auge zu behalten. Der türkische Islamismus und die deutschnationale extreme Rechte sind geistesverwandte Feinde aufgeklärter Gesellschaften.

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