Datei:2017-03-02 jungle world (17) Hühnergespräch.pdf: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 11. April 2020, 17:11 Uhr

Krauts und Rüben – der letzte linke Kleingärtner, Teil 17

Hühnergespräch

Der Hühnerstall ist tagsüber verwaist. Nein, keine Sorge, es ist nichts Schlimmes passiert. Im Gegenteil, es gibt einen erfreulichen Grund. Weil das Wetter besser geworden ist, zumindest weniger frostig, was man hierzulande mit besser meint, tummeln sich meine fünf Hühner während des Tages im Garten und bevölkern dort das mobile Hühnergehege. Da hüpft das Kleingärtnerherz, denn die Hühner entpuppen sich als hervorragende Mitarbeiterinnen. Wenn ich den Damen schon den ganzen Winter über das Fressen, sprich die Körner, bringe, dann sollen sie auch arbeiten. Wir sind hier schließlich in Deutschland. Einfach nur fressen und nichts tun akzeptiert weder die bürgerliche noch die sozialistische Moral. Was habe ich ein Glück, dass meine fünf Hühner noch nie in ihrem Hühnerleben etwas von Paul Lafargue und seiner legendären Schrift »Das Recht auf Faulheit« von 1883 gehört haben. Damit hat der Schwiegersohn von Karl Marx der sozialistischen Bewegung und ihrem »Schaffe-schaffe-Häusle-baue«-Ethos und Blaumannkult ordentlich eine vor den Latz geknallt, was ihn wiederum im anarchistischen Lager bekannter und beliebter machte.

Aber all das interessiert meine Hühner nicht. Recht auf Faulheit hin oder her, meine Hühner sind gleich fünffach arbeitend am Start: Erstens legen sie Eier; zweitens scharren sie den Boden im Garten frei; drittens fressen sie Ungeziefer, das die Ökos zwar nicht so nennen, das aber nun mal stört, zum Beispiel Schnecken; viertens düngen sie den Boden mit ihren flüssigen und weniger flüssigen Ausscheidungen. Und dass sie bei all dem auch noch die Speisereste aus dem Haushalt herunterschlingen und zu frischen Eiern verarbeiten, ist ein weiterer Grund, der fünfte also, für die Hühnerhaltung. Wer einmal als Kleingärtner erleben musste, wie so ziemlich alle Salatpflänzchen – die auch dieses Jahr in ein paar Wochen wieder in den Garten kommen – von Schnecken aufgefressen werden, der weiß es zu schätzen, wenn keine Schnecken da sind. Wunderbar. Für den Salat ist das wie Weihnachten. Der blüht dann richtig auf, nur, um dann nachher von der Kreatur Mensch gefressen zu werden. Ob der Salat aus dem eigenen Garten eine Persönlichkeit hat oder gar sensibel ist, interessiert mich nicht.

Das Eierlegen ging im Winter etwas zurück und zeitweise ganz auf null. Da wurde es mir zu bunt: Ich habe ein futtertechnisches Machtwort gesprochen und ihnen ordentlich Legemehl gegeben. Das ist in etwa das gleiche Futter wie die übliche Körnermischung, aber eben stark geschrotet. So können sie es schneller aufnehmen und im Ergebnis legen sie dann mehr Eier. Mehr als meine Familie essen kann, was dazu führt, dass ich Mitmenschen mit meinem Eiersegen glücklich machen kann. Da stehen viele drauf: frische Eier, nicht aus der Fabrik, quasi selbst von mir gelegt. Voll öko, voll bio, voll gesund, voll fitmachend, voll die leichte Kost, voll das gute Essen. Lecker.

Apropos Futter, ich habe auch den Futterhändler gewechselt. Bis dato kaufte ich mein Hühnerfutter immer bei der Raiffeisen, bis mir auffiel, dass die recht unverfänglich auf dem Beipackzettel notiert, dass das Futter nicht unbedingt GVO-frei, also mit gentechnisch verändertem Zeugs gemischt sei. Das stand wahrscheinlich schon die ganze Zeit drauf, nur ist es mir nie aufgefallen. Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Aber nein, meine Hühner hätten es mir ja auch sagen können, anstatt still und leise in den Eierlegestreik zu treten und mit den Füßen abzustimmen. Wie dem auch sei, ich habe verstanden und den Anbieter gewechselt.

Was habe ich es bedauert, dass meine Hühner nicht bei dem Prinzessinneninterview von Markus Ströhlein (Jungle World 4/17) in der saarländischen Landesvertretung dabei waren. Die Prinzessinnen werden zu Repräsentationszwecken bei der Grünen Woche eingeflogen. Die Hühner hätten ihren Spaß gehabt. Den hatte der Jungle World-Redakteur auch und die Irgendwas-Prinzessinnen (Rosen, Bier, Wein undsoweiter), die sich um ihn scharten und ihm artig alle Fragen beantworteten, ebenso. Er hat mich gleich danach gefragt, ob er nächstes Jahr wieder kommen darf und von der Aktion 3. Welt Saar erneut ein Freiticket geschenkt bekommt. Er kam nämlich gar nicht zum Essen und musste große Teile des leckeren Buffets unangetastet lassen. Wer genießt schon eine derartige prinzessinnenhafte Zuneigung? Was bin ich neidisch geworden. Ich kümmere mich um die Ernährung, kommt da so ein Hauptstadtjournalist und ich habe das Nachsehen bei den Prinzessinnen. Als Kleingärtner ist man anscheinend nicht so attraktiv und wird links liegen gelassen. So habe ich das mit dem Linkssein nicht verstanden. Ich versprach ihm, mein Bestes zu geben und sein Ansinnen auf Wiederkehr im nächsten Jahr wohlwollend zu prüfen. Schließlich sind wir Kleingärtner nach außen tolerant und solidarisch. Versprochen. Ich gebe mein großes Kleingärtnerehrenwort.

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