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Krauts und Rüben – der letzte linke Kleingärtner, Teil 15.
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Krauts und Rüben – der letzte linke Kleingärtner, Teil 15
  
 
== Prinzessinnen­auflauf ==
 
== Prinzessinnen­auflauf ==

Version vom 27. Dezember 2019, 04:26 Uhr

Krauts und Rüben – der letzte linke Kleingärtner, Teil 15

Prinzessinnen­auflauf

Für die meisten Menschen fängt das neue Jahr am 1. Januar an, für einige im arabischen Raum am 21. März. Das ­tolerieren wir Kleingärtner. Aber unser Jahr beginnt nach der »Grünen Woche« in Berlin, die Ende Januar endet. Dann steigen wir ein in die Gartensaison und beginnen mit dem Vorziehen von Pflanzen, insbesondere von verschiedenen Salatpflanzen und Tomaten. Wenn man die ­Salatpflänzchen dann ab der zweiten Märzhälfte ins Freie setzt und sie mit Flies abdeckt, kann man Ende April mit der Salaternte ­beginnen. Das hilft einem zwar zurzeit nicht weiter, wenn man hungrig ist, was schließlich mehrfach am Tag vorkommt. Aber man hat zumindest eine Perspektive oder gar eine Vision, was einem ein gutes Gefühl gibt. Schon pervers, wir Kleingärtner. Während ganz Deutschland – also annähernd die ganze Welt – vor Kälte bibbert, reden wir über unser eigenes Neujahr und stehen bereit für die Aussaat.

Überhaupt: die »Grüne Woche« in Berlin und was sich da tummelt. Neben dem landwirtschaftlichen Schaulaufen der lustigen und ­weniger lustigen Art stolzieren meist über 100 Prinzessinnen und Königinnen herum. Das mit dem Herumstolzieren stimmt nicht ganz, meist stehen sie an den Ständen der Bundesländer und repräsentieren irgendwelche Regionen oder irgendwelche Produkte wie Wein, Wurst, Käse, Linsen. Oder sie sitzen auf der Motorhaube eines neuen Traktormodells. Als Kleingärtner weiß ich nicht so recht, ob der ganze Prinzessinnenauflauf ironisch gemeint ist oder doch eine gehörige Portion Sexismus verbreitet. Aber immerhin haben diese Prinzessinnen keinen Adelstitel im Pass stehen. Das ist ein Pluspunkt, weil weniger Feudalismus. Aber ich traue der Sache nicht. Sie sollen, so die Legende, »ihr Produkt« und »ihre Region« repräsentieren. Doch sie sind auffallend still. Sie reden fast gar nicht und zeigen nur ihre Kleidchen und ihre Zähne vor laufenden Kameras. Ich glaube, das ist aus einer anderen Zeit, mit der ich nichts am Hut habe.

Als halber Öko, der ein Kleingärtner qua Berufung ist, widme ich mich dem offiziellen Teil der »Grünen Woche« nur am Rand. Die Demonstration »Wir haben es satt« für einen Wandel der Agrarpolitik findet am Samstag, 21. Januar, ab zwölf Uhr auf dem Potsdamer Platz statt. Sie ist mir wesentlich sympathischer. Da geht es um gesundes Essen, weniger Umweltverschmutzung und tiergerechte Haltung, das Ganze auch noch mit Bauern und nicht gegen diese. Das sehen zwar einige notorische Tierrechtler und Veganer ganz anders, die, obwohl nicht eingeladen, fleißig erscheinen und gegen die bösen Bauern und ebenso bösen Fleischesser demonstrieren. Sehr lustig, eine Demo in der Demo. Um die Verwirrung noch größer zu machen, fehlt eigentlich nur noch die MLPD. Was für ein Spaß das wäre, Veganer, Tierrechtler und MLPD auf einem Haufen. Da müsste man nur flugs ein Gehege, ach was, eine Betonmauer drumherum bauen und hätte seine Ruhe. Die Mauer können Veganer, Tierrechtler und MLPD gleich noch selbst bezahlen; so wie der Trump das mit den Mexikanern vorhat. Ein paar Kameras oben auf der Mauer installiert und man hätte viele amüsante Filmchen für Youtube. Auf Anraten der Redaktion der Jungle World möchte ich aber nun Unheil abwenden und weise an dieser Stelle darauf hin, dass die Aussagen über den Mauerbau ironisch gemeint sind. Es ist ­alles nur ein Witz. Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten – vorerst jedenfalls.

Die Demonstration »Wir haben es satt«, an der ich zum sechsten Mal teilnehmen werde, verfehlt jedoch zielstrebig ihren Anspruch, was nicht einmal die Schuld der uneingeladenen Tierrechtler ist. Die Veranstaltung propagiert Vielfalt auf dem Acker, praktiziert aber seit eh und je Monotonie, wenn es um die Redner geht. Manche Personen und Organisationen haben offenbar einen oder mehrere Redebeiträge gepachtet. Vielleicht nennt man dieses System »ökologische Erbpacht«. Die Reden selbst sind meist sogar gut. Aus der richtigen Forderung nach einem Recht auf Nahrung leiten manche Organisationen anscheinend ein Recht auf Rede ab. Die Vielfalt auf der Bühne fehlt. Aber egal, ich werde trotzdem da sein. Als Kleingärtner ist man hart im Nehmen.

Genug aus Berlin, was geht ab im Hühnerstall? Manchmal habe ich den Eindruck, die, also meine fünf Hühner, sind »dumm wie Schifferscheiße«. Sie legen ihre Eier auf den blanken Betonboden im Stall. Und damit er wirklich blank ist, scharren sie das eingestreute Sägemehl und Heu noch weg. Oder sie setzen sich bei der Kälte draußen in irgendeine Ecke. Das eigens angeschaffte Legenest – dort können drei Hühner gleichzeitig in getrennten Boxen ruhig und friedlich ihre Eier legen – verschmähen sie. Ich habe es eigens gekauft, damit ich es nicht mit blödem Heimwerkeln vermassele. Eine Hühnerdressur steht an, das ist aber leichter gesagt als getan. Andererseits: Never change a winning team. Immerhin ­legen sie zwei bis drei Eier am Tag und das ist die Hauptsache. Da hüpft das Kleingärtnerherz.

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