Datei:2016-10-27 jungle world (10) Nix als Kartoffeln.pdf: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 11. April 2020, 17:11 Uhr

Krauts und Rüben. Der letzte linke Kleingärtner. Teil 10

Nix als Kartoffeln

»Aus organisatorischen Gründen muss die Gartenkolumne verschoben werden«, hieß es lapidar aus der Redaktion. Stattdessen kam eine Ausgabe dieser Zeitung heraus mit Schwerpunkt Belgien. Während unsereiner sich um die Ernährung der Menschheit oder so ähnlich kümmert, macht die Hälfte der Redaktion Urlaub in Belgien und nennt dies journalistische Arbeit. Als Kleingärtner hat man einfach keine Lobby. Nirgendwo. Als ­linker Kleingärtner schon mal gar nicht. Dabei wäre es doch ein Leichtes gewesen, die Gartenkolumne in den Belgien-Teil zu integ­rieren. Verbindendes Glied sind Kartoffeln. Nirgendwo auf der Welt gibt es so viele Pommesbuden wie in Belgien. Und bei mir stand zur gleichen Zeit die Kartoffelernte an. Aber wahrscheinlich weiß wieder niemand in der Hauptstadtredaktion, dass Pommes Frites ­irgendetwas mit Kartoffeln zu tun haben.

Im Frühjahr hatte ich mir, klug wie ich bin, bei der Raiffeisen­genossenschaft neues Saatgut gekauft. Diesmal setzte ich auf die Sorte »Quarta«. Man kann Kartoffeln zwei bis drei Jahre immer wieder ausbringen, indem man sich aus der Ernte ein bisschen Saatgut nimmt. Dummerweise hatte meine Frau die zur Pflanzung ­vorgesehenen Kartoffeln als Bratkartoffeln missbraucht. Dumm gelaufen. Jedenfalls musste ich von meiner langjährigen Muster­kartoffel namens »Granola« mangels Angebot auf »Quarta« umsteigen. Und der Ertrag schwankte zwischen bescheiden und hundsmiserabel schlecht. Dabei hätte der Ertrag hervorragend sein müssen: leicht sandiger Boden, neues Saatgut, kaum Kartoffel­käfer. Wer trägt also die Schuld? »Die Amis« mit ihrem Kartoffelkäfer waren es diesmal nicht. Bleibt also nur noch das Wetter oder Raiffeisen. Das Wetter entfällt auch, da ich noch Pflanzgut für drei Reihen »Granola« zusammenbekam und dessen Ertrag überbordend war.

Also Raiffeisen. Die kommen mir ohnehin vor wie ein sinistres Kartoffelsyndikat. Versuche mal jemand bei einem Raiffeisenmarkt die Kartoffelsorte »Linda« zu bekommen, um die es in den nuller Jahre einen Riesenstreit gab. Der Sorteninhaber nahm die Kartoffel vom Markt, nachdem er 25 Jahre lang Sortenschutzgebühr kassiert hatte, und verbot den weiteren Anbau. Daran knüpfte ein jahrelanger Konflikt an, der damit endete, dass die »Linda« wieder zugelassen wurde, allerdings von einem anderen Sorteninhaber. ­Jedenfalls kapierten damals Hunderttausende in Deutschland, dass es um Saatgut Zoff gibt und dass, ganz unverschwörungstheoretisch, wirtschaftliche Interessen im Spiel sind.

Über Raiffeisen stolperte ich auch im Juni. Tatort war der örtliche Markt in Lienen bei Münster. Ich war vom Evangelischen Sozial­seminar Lienen zu einem Vortrag und einer Diskussionsrunde eingeladen und sollte das Agrarprojekt »Erna goes fair« der »Aktion 3. Welt Saar« vorstellen. Als Titel wählten die Veranstalter den von uns kreierten Slogan »Deutsche Kühe weiden in Paraguay und scheißen auf die Bauern im Senegal«. In Paraguay werden nämlich Bauern enteignet, um auf ihrem Land großflächig Soja anzubauen, aus dem Tierfutter für deutsche Kühe entsteht. Die so erzeugte überschüssige Milch in Deutschland landet als Milchpulver und Kondensmilch auch auf dem westafrikanischen Markt und zerstört dort bäuerliche Existenzen. Eigentlich ein einfacher Zusammenhang. Dadurch fühlen sich aber deutsche Agrarlobbyisten schwer beleidigt, obwohl sie den Fakten nichts entgegenzusetzen haben. Jedenfalls verweigerte der lokale Raiffeisenmarkt zweimal das Aufhängen des Plakats für den Vortrag. Der Schuss ging nach hinten los. Dadurch entstand erst recht Aufmerksamkeit für die Veranstaltung und die Bude war voll.

Wobei normalerweise beim Kartoffelanbau weniger Raiffeisen der Stressfaktor ist – die Genossenschaft »reguliert« nur ein bisschen das Angebot an Pflanzkartoffeln und nimmt manche gar nicht ins Angebot – als der Kartoffelkäfer. Der frisst zwar keine Kartoffeln, aber deren Blätter und verhindert damit das Wachstum der Knollen unter der Erde. Ist ja logisch: Wenn die Blätter dahin­darben und deswegen keine Photosynthese stattfindet, gibt es auch kein Wachstum. Immer noch hält sich hartnäckig das Gerücht, den Kartoffelkäfer hätten »die Amis« im Zweiten Weltkrieg über Deutschland abgeworfen, um »unsere« Ernährung zu sabotieren. Auch in der DDR war dieser Schmarrn weit verbreitet. Das kommt halt davon, dass die Alliierten den 8. Mai nur militärisch über die Bühne brachten, bei der Reeducation aber schlampten. Die Nummer mit »den Amis« und dem Kartoffelkäfer ist eine klassische Goebbels-Lüge. Eigentlich heißt dieser Käfer »Colorado-Käfer«, kommt in der Tat aus den USA, wurde aber bereits in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts im Zuge des Transatlantikhandels über Rotterdam nach Europa eingeschleppt. Seitdem hat er sich, mangels natürlicher Feinde, ­rasant ausgebreitet. Wenn er Kartoffelpflanzen befällt, was er leider sehr häufig tut, muss er bekämpft werden. Ob chemisch oder ­manuell, ist egal. Sonst gibt es keine Kartoffeln.

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