Datei:2016-09-01 jungle world (9) Support your local dealer.pdf

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Krauts und Rüben – der letzte linke Kleingärtner, Teil 9

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Stangenbohnen sind genial: Sie brauchen wenig Platz, bringen einen Topertrag, sind leicht zu ernten und die beste Tarnung für – naja, für Gras eben. Sie wachsen an etwa 2,50 Meter langen Fichtenstangen, die man im Gartenmarkt kauft oder sich etwas weniger offiziell im Wald besorgt. Es hilft, dass man als Kleingärtner ja meistens irgendjemand aus der Garten- und Forstbranche kennt. Am schwierigsten bei diesen Bohnen ist, das Saatgut zum Keimen zu bringen. Den besten Ertrag erziele ich seit Jahren durch selbst nachgebautes Saatgut, für das ich im Herbst ein paar Schoten ausreifen lasse und die fünf bis sieben Bohnen pro Schote trockne. Die Keimquote ist höher als bei gekauftem Saatgut. Im kommenden Mai lege ich sechs Bohnen drei bis fünf Zentimeter tief in die Erde um eine Stange herum, die ich vorher mit Hilfe eines Spatens in die Erde gesetzt habe. Vor Mai geht auch, ist aber riskant, weil Bohnen ähnlich wie Soja kälteempfindlich sind. Wenn sie erstmal gekeimt haben und die jungen Pflanzen zwei Wochen von Schnecken verschont werden, wozu ich natürlich meinen Beitrag leisten muss, gedeihen sie und wachsen rasch um die Stange herum in die Höhe. Meistens reicht sogar die Länge der Stangen nicht aus und die Bohnenpflanzen hängen über.

Bei der Ernte brauche ich mich kaum zu bücken. Im Gegenteil, manchmal brauche ich eine Leiter zur Ernte. Amüsant sind die Sortennamen. Mal sind Frauen, mal Regionen, mal Städte, mal Farben, mal Tiere die Namenspaten. Meine Favoritin ist die Neckarkönigin, die seit Jahren Toperträge bringt. Ich habe keine Ahnung, wer sich diese Namen ausdenkt. Nach mir hat leider noch kein Saatgutzüchter seine Sorte benannt.

Wenn man drei, vier Reihen Stangenbohnen erfolgreich ausgesetzt hat, entsteht nach kurzer Zeit ein guter Sichtschutz für das, was dahinter passiert. Ich hatte mal einen Bekannten, nennen wir ihn Paul, der nutzte die Gunst der Stunde und baute hinter den Bohnen Gras an. Keines für die Wiese oder gar den Rasen, sondern zum Rauchen und zur sonstigen Verwendung als Nahrungsergänzung im fettlös­lichen Bereich der häuslichen Speisenbereitung. Ich würde so etwas natürlich nie machen, weil es verboten ist und ich damit nicht in die Zeitung käme. Deshalb lasse ich lieber die Finger davon.

Topinambur würde die Tarnung perfektionieren. Diese Knollenpflanze aus Mittelamerika wird über zwei Meter groß. Mit ihrer gelben Blüte erinnert sie an Sonnenblumen. Der Ertrag liegt unter der Erde. Pro Pflanze gibt es zwei Hände voll Knollen, die Ingwerknollen gleichen und aufwendig gesäubert werden. Dafür entschädigen der Geschmack und die Menge. Die inulinhaltigen Knollen vertragen Frost und können auch im Winter geerntet werden. Wenn man Topinambur in der Vermehrung nicht behindert und bei der Ernte im Herbst die Knollen nicht penibel ausgräbt, vermehren sie sich innerhalb weniger Jahre wie Unkraut. Während sie lange Zeit nur selten von Kleingärtnern angebaut wurden, weil man ihren Wert nicht erkannte, änderte sich das schnell, als teure Feinschmeckerrestaurants sie entdeckten und die Knollen zu horrenden Preisen anboten. Die Wohlhabenden wissen sowieso schneller als der gemeine Pöbel, was gut fürs Leben ist. Während letzterer noch fleißig innerorts Straßen verbreiterte, sein Glück in immer mehr Asphalt und Beton suchte und sich gegen Geschwindigkeitsbegrenzungen sperrte, war in den Wohngebieten der Vermögenden schon lange das Gegenteil der Fall.

Zurück zum Gartenbau: Die Grasernte von Paul soll recht gut gewesen sein. Entdeckt wurden die Pflanzen nicht, was beim Anbau in Maisfeldern oft der Fall ist. Die Cannabispflanze wird so hoch wie Mais. Nur laufen in Feld und Wiesen Spaziergänger mit dem Denunzianten-Gen herum. Auch wenn man es lokalisieren könnte, ließe es sich nur schwer wegtherapieren. So kann man denn in der Lokalpresse ländlicher Regionen im Sommer allerlei Meldungen über Cannabispflanzen in Maisfeldern lesen, die überzogen gleich Plantagen genannt werden und Polizeieinsätze nach sich ziehen. Und das in einem Land, in dem in der Karneval- und Oktoberfestzeit sowie in den Zeiten dazwischen fleißig an jeder Ecke und in jeder Tankstelle Bier und Höherprozentiges in Strömen fließen. Der Deutsche Fußball-Bund betrieb einst gemeinsam mit der Brauerei Bitburger seine Kampagne »Keine Macht den Drogen«. Für mich klang das immer, als ob die Mafia einen Kodex für Ehrlichkeit und gegen Korruption vorlegt und dazu regelmäßig einen TV-Spot schaltet. »Prost!« kann man da nur sagen. Jede Gesellschaft hat ihre Drogen und ihren Rausch. Manches ist erlaubt, manches wird mit viel Tamtam geächtet. Manchmal scheint es gute medizinische und politische Gründe zu geben, wie bei der Vielzahl synthetischer Drogen. Manchmal dient es nur dazu, dass sich Moralapostel aufblasen können.

Ehre, wem Ehre gebührt: die Songs »Legalize It« und »Bush Doctor« von Peter Tosh mit der Refrainzeile »Legalize Marihuana« grooven immer noch. Und merke: Wer Gras ernten und keine Abstriche bei der Qualität machen will, frage seinen örtlichen Kleingärtner. Das stärkt die Regionalität.

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