Datei:2016-07-14 jungle world (7) Eine Allianz der Betrogenen.pdf

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Krauts und Rüben – der letzte linke Kleingärtner, Teil 7

Eine Allianz der Betrogenen

Vielleicht wäre die Gentechnik doch einen Versuch wert. Dieser unheimliche Gedanke zuckte in den vergangenen Tagen während der Zuckererbsenernte durch meinen Kopf. Der Ertrag ist reichlich. Allein das Ernten bereitet ein Problem, weil die Erbsenschoten genauso grün sind wie das üppige Laub. Ich will zügig ernten und keine meditativen Extraschichten einlegen, bis ich die Schoten in dem grünen Wirrwarr gefunden habe. Wenn sie rot oder gelb wären, ginge es schneller. Aber das behalte ich besser für mich und erzähle es nicht groß herum. Sonst nehmen die Freunde von Monsanto und Co. das noch in ihre PR-Strategie auf und »verkaufen« uns die Gentechnik mit dem Argument der schnelleren Ernte. So haben sie es mit dem angeblich erhöhten Vitamin A in ihrem gentechnisch veränderten Golden Rice gemacht. Dieser käme besonders den armen Menschen »da unten« zugute. Es gibt immer Verbraucher und sonstige Nervmenschen, die darauf hereinfallen. Aber die Ernährung funktioniert ohne Gentechnik. Alleine mit den in Europa und den USA weggeworfenen Lebensmitteln könnten dem Dokumentarfilm »Taste the Waste« zufolge alle Hungernden weltweit dreimal satt werden. Es ist ein Verteilungsproblem. Also lassen wir das mit der Gentechnik und ich bleibe auf meinem Ernteproblem sitzen. Da bleibe ich hart – ich bin der Tapferste der Kleingärtnerspezies.

Als Kleingärtner wurde ich dieses Jahr wieder beim Saatgutkauf betrogen. Aus zwei Packungen Zucchinisamen keimte nur eine einzige Pflanze, die dann auch noch von Schnecken gekillt wurde. Es ist wie im Fußball: »Mal verliert man, mal gewinnen die anderen«, wie Otto Rehhagel mal gesagt hat. Ich gebe zu, die Fußball-Europameisterschaft hat mich zeitweise von der Gartenarbeit abgehalten. Ich empfinde Mitleid mit anderen Fußballfans ob der penetrant wehleidigen Lamentiererei sogenannter Sportjournalisten. Die wenigen »-innen« dieser Spezies bewegen sich auf dem gleichen nied­rigen Niveau. Diese Langweiler sind eine Zumutung, die nur auf ein elegantes, trickreiches Ball-laufen-Lassen mit wenigen Berührungen gepolt sind und demzufolge das clevere Fußballteam aus Portugal niedermachten. Es wäre hilfreich, würden sich diese Wortproduzenten mit den Regeln und vor allem den Möglichkeiten des Spiels vertraut machen. Portugal bot eine höchst intelligente Weiterentwicklung des italienischen Catenaccio (Riegelbildung), der in den sechziger Jahren vom legendären Helenio Herrera bei Inter Mailand eingeführt worden war. Dieses System – die Portugiesen sind nicht die einzigen, die es anwenden – wird in Deutschland fälschlicherweise mit »Betonfußball« übersetzt. Es ist in der Tat defensiver, funktioniert aber nur dann, wenn im eigenen Team überragende Offensivspieler dabei sind, die aus wenigen Chancen Tore kreieren. Wenn man die Logik des Spiels versteht, ist es schön anzusehen. Ähnlich dem Werk eines Kleingärtners, wenn nicht alles quadratisch und »wie an der Schnur gezogen« in Reih und Glied steht. Auf das Ergebnis kommt es an.

Die einfallslosen Fußballkommentatoren stricken mit dem Miesmachen Portugals an der Legende, dass »wir« Fußballfans betrogen werden. Mit ihrem sprachlichen Repertoire sind sie anschlussfähig für das Gejaule vieler Verbraucher, die sich betrogen fühlen und Hinz und Kunz dafür in Bewegung setzen. Vielleicht sollte ich mal eine Initiative starten und eine Allianz aus von Saatgutzombies betrogenen Kleingärtnern und von Labertaschen betrogenen Fußballfans auf die Beine stellen.

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