Datei:2016-04-07 jungle world (3) Generation Haarspray.pdf

Aus Archiv der Aktion 3.Welt Saar
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Gehe zu Seite


Originaldatei(1.240 × 1.753 Pixel, Dateigröße: 720 KB, MIME-Typ: application/pdf, 2 Seiten)

Krauts und Rüben – der letzte linke Kleingärtner, Teil 3

Generation Haarspray

Das war für mich eine Premiere. Zum ersten Mal habe ich mir Haarspray gekauft. Nicht für mich, sondern für meine Hühner. Die sollen frisiert werden. So lautete einer der bauernschlauen Tipps von Menschen, die mit Hühnern Bescheid wissen. Ich hatte ein Date mit dem Hühnermann abgemacht und ihm wegen des Hühnerschwundes in meinem Stall, verursacht von Fuchs, Greifvogel und Krankheiten, vier Hühner abgekauft. Beim Hühnermann kaufen recht viele aus der Umgebung neue Hühner.

Da ich aber noch zwei ältere Hühner hatte, war Ärger programmiert – Hackordnung im Hühnerstall nennt man das. Und es kam, wie es kommen musste. Kaum waren die neuen Hühner da, schon stürzten sich die zwei alten auf sie und zeigten mit Schnabelhieben, wer das Sagen hat. Die neuen Hühner zogen sich in eine Ecke zurück, aßen und tranken erst einmal nichts und saßen dort eingeschüchtert wie das sprichwörtliche Häuflein Elend. Da konnte nur noch Haarspray helfen. Dem Tipp des Hühnermanns folgend sprühte ich also die neuen Hühner mit Haarspray ein und produzierte so eine parfümierte Nebelwolke im Hühnerstall. Nein, nicht damit das Federwerk schön glänzt, sondern damit der Geruch die alteingesessenen Hühner vom Picken abhält. Und tatsächlich, es funktioniert einigermaßen. Es dauert einige Wochen, bis die Hühner sich aneinander gewöhnt haben und der Betrieb im Hühnerstall und -gehege wieder normal läuft. Dies ist bei uns Menschen nicht anders. Frei nach Asterix und Obelix: »Ich habe nichts gegen Fremde, aber diese Fremden da sind nicht von hier.«

Irgendwie hat mich der Hühnerkauf an den Kauf von Waschmittel erinnert. Man steht vor einer schier unendlich anmutenden Auswahl. Zumindest glaubt man, dass es Auswahl sei – wie sonst in der Marktwirtschaft auch. Jedenfalls haben meine vier neuen Hühner verschiedene Farbmuster: schwarz, braun, graumeliert, rötlich-schwarz. Ein bisschen Farbe im Hühnerstall kann nicht schaden. Sogar ein Grünleger ist dabei. Korrekt müsste es wahrscheinlich GrünlegerIN heißen. Das Huhn soll tatsächlich grüne Eier legen, nicht schlecht. Nach dem ganzen Murks, den die Grünen in linke Nester gelegt haben, wäre dieses grüne Ei etwas Harmloses und Handfestes: Man kann es essen. Oder man könnte es, wie nichtgrüne Eier auch, auf Grüne werfen. Aber mit Lebensmitteln soll man so etwas nicht machen. Höchstens in Ausnahmefällen.

Die neuen Hühner habe ich seit drei Wochen, aber sie haben noch keine Eier gelegt. So langsam werde ich ungeduldig. Was hat mir der Hühnermann da angedreht? Da muss ich aufpassen, dass der sich betrogen fühlende Verbraucher in mir nicht mit mir durchgeht. Aber ob Eierlegen oder nicht, ich habe die Hühner nicht angeschafft, um sie durchzufüttern. Sie müssen arbeiten. Das ist im Land der Krauts so: Die Arbeit ordnet das Leben. So bringe ich meine Hühner jeden Tag ins mobile Gehege in den Garten, damit sie ein paar Engerlinge und Schnecken essen, mir den Boden freischarren und ihn düngen für den späteren Anbau von Bohnen und Kartoffeln. Da Hühner wahre Allesfresser sind, hält sich der Zukauf von Körnerfutter in Grenzen. Sie fressen so gut wie jeden Rest an Lebensmitteln. Da sich die neuen dank Haarspray langsam akklimatisieren, sitzen sie nicht mehr eingeschüchtert in der Ecke herum. Sie werden mutiger, probieren ihr Federzeug aus, fliegen über das Gehege, büxen aus und gehen auf Entdeckungsreise. Von wegen dumme Hühner. Also habe ich ihnen nicht nur mit Haarspray, sondern auch mit der Schere eine neue Frisur verpasst. Ich habe einen Teil des Gefieders weggeschnitten, so dass sie nicht mehr über den Zaun fliegen können. Es reicht, dass ich für die Freizügigkeit von Flüchtlingen bin. Das muss ja nicht noch bei Hühnern gelten.

Auch im Garten geht es voran: acht Reihen à vier Meter Zuckererbsen, fünf Reihen Dicke Bohnen und zwei Reihen Ruccola. Die vorgezogenen Salatpflänzchen sind noch nicht so weit, um sie ins Freiland zu setzen. Erfahrungsgemäß wachsen die Erbsen am besten, wenn sie bis Mitte März gelegt sind. Sie werden ungefähr 1,70 Meter hoch und haben einen äußerst reichhaltigen Fruchtansatz. Der Ertrag ist jedenfalls deutlich höher als bei den Erbsen, die ich später lege, damit ich im Sommer länger frische Erbsen ernten kann. Die Hauptsaatzeit für das restliche Gemüse ist der April, im Mai kommen die kälteempfindlichen Stangen- und Buschbohnen, Kürbisse, Zucchini und Gurken. Zuckererbsen mag ich, weil der Anbau und die Verwendung zeitsparend sind und sie auch auf kargen Böden gut gedeihen. Man kann die Schoten direkt anbraten oder dünsten und braucht sie nicht einzeln aufzubrechen und die Erbsen herauszusuchen. Der Anbau führt zudem zu einer erheblichen Bodenverbesserung, da Erbsen als Leguminosen den in der Luft reichlich vorhandenen Stickstoff an ihren Wurzeln anlagern. Diese lässt man nach der Ernte im Boden, was einem die nächste Pflanzengeneration durch gutes Wachstum dankt.

Dateiversionen

Klicke auf einen Zeitpunkt, um diese Version zu laden.

Version vomVorschaubildMaßeBenutzerKommentar
aktuell18:36, 3. Okt. 2019Vorschaubild der Version vom 3. Oktober 2019, 18:36 Uhr1.240 × 1.753, 2 Seiten (720 KB)Maintenance script (Diskussion | Beiträge)
  • Du kannst diese Datei nicht überschreiben.

Keine Seiten verwenden diese Datei.

Metadaten