Datei:2016-03-17 jungle world (2) Scheitern ist integraler Teil des Plans.pdf

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Krauts und Rüben – der letzte linke Kleingärtner, Teil 2

Scheitern ist integraler Teil des Plans

Das Wetter ist des Kleingärtners Leid und das Klagen übers Wetter allemal. Eigentlich hätte ich jetzt gar keine Zeit, um den zweiten Teil dieser Kolumne zu schreiben, weil ich bei der Aussaat wäre. Und dann würde Schreibarbeit jedweder Art ruhen. Man muss schließlich Prioritäten ­setzen. Oder ich könnte sogar schon Vollzug melden. Aber da es die letzten zwei Wochen viel geregnet hat und das noch mit Minusgraden einherging, musste die geplante Aussaat verschoben werden. Wie nass es war, kann man daran erkennen, dass sogar Fußballspiele ausgefallen sind. Das ist ein sicherer Indikator dafür, dass etwas, was »alle« wollen, partout nicht geht. Auch das Spiel meines Vereins fiel aus. Ab der viertklassigen Regionalliga abwärts gehen die Vereine und die Kommunen mit ihren wertvollen Rasenplätzen behutsam um. Ein Spiel bei aufgeweichtem Rasen und er ist für weitere Fußballspiele unbrauchbar. Als Acker wäre er allerdings schon brauchbar, womit wir wieder beim Thema wären.

Jedenfalls ist der Ausfall von Fußballspielen wegen zu viel Regens immer ein untrügliches Zeichen dafür, dass es ordentlich geschüttet hat. Auch auf einigen Hartplätzen fielen in meiner Region in den letzten Tagen Spiele aus. Die vertragen zwar mehr Wasser als Rasenplätze, aber wenn die Drainage nicht mehr läuft, dann bilden sich großflächige Pfützen und der Ball bleibt liegen. So wie damals, bei der WM 1974, bei der »Wasserschlacht von Frankfurt« zwischen Deutschland und Polen. Es ging um den Finaleinzug. Das Spiel hätte eigentlich abgesagt werden müssen. Aber da die Polen die deutlich bessere Mannschaft hatten, technisch den besseren Fußball spielten und »wir« unter regulären Bedingungen wenig Chancen gehabt hätten, was auch »unser« Kapitän Franz Beckenbauer einräumte, drängte der DFB auf Anpfiff – und behielt Recht. Zumindest, wenn man es durch die nationale Brille betrachtet. »Wir«, also die West-Krauts, gewannen und wurden später auch Weltmeister. Das war die Fußball-WM, bei der auch Jürgen Sparwasser sein Tor gegen die West-Krauts erzielte. Schon damals war der DFB also unsauber unterwegs, was aber nicht wirklich überrascht.

Wenn schon keine Aussaat möglich ist, dann lasse ich mir zumindest leckeres Gemüse aus dem Garten schmecken: Grünkohl. Wie das? Im März frisches Gemüse aus einem Garten in Mitteleuropa? Warum nicht. Den Grünkohl hatte ich voriges Jahr im Juni gepflanzt. Die Stengel mit reichlichem Blattansatz werden 30 bis 40 Zentimeter hoch, auf Topböden auch 50. Die gekrausten Blätter fallen beim Kochen etwas zusammen und schmecken hervorragend mit Fleisch, aber selbstredend auch ohne. Manchmal lässt es sich auch nicht vermeiden, dass man, obwohl man vielleicht Ve­getarier ist, beim Säubern des Grünkohls das ein oder andere Tier übersieht. Egal, Insekten gehören in manchen Regionen der Welt zur Eiweißversorgung dazu. Das Angenehme am Grünkohl ist: Die Lagerhaltung findet im Garten statt und nicht auf der Straße, wie bei der sonstigen Versorgung mit Lebensmitteln im Winter. Grünkohl ist extrem winterhart, man kann ihn auch bei minus 15 Grad Celsius ernten, mit einem großen Messer oder auch mit der Axt. Gegessen werden die Blätter; die dicken Stengel, ebenso die ausgesonderten Blätter, wandern zu meinen Hühnern. Oder auf den Kompost. Man kann den Grünkohl natürlich auch, sobald der erste Frost drüber gegangen ist, komplett abernten und einfrieren. Ich bevor­zuge aber die tagesfrische Ernte bis ins nächste Frühjahr und friere nur wenig ein. Die Hühner sind mir im vorigen Jahr zwei Mal aus dem Gehege ausgebüxt. Dumm sind sie nicht: Eine kleine Lücke und weg waren sie. Schwupps, hatten sie sich an den frischen Grünkohlblättern erfreut und einige Stengel kahl gefressen. Ich hatte den Ärger, sie hatten den Spaß. Für sie war es ein Festtag.

Als Kleingärtner muss man halt flexibel sein. Man plant alles recht genau, weiß aber schon im Moment der Planung, dass man scheitern wird. Das Scheitern ist integraler Bestandteil des Plans. Entweder teilt man sich die Zeit falsch ein, das geschieht immer wieder, oder man wird vom Wetter überrascht.

Ja, ja, das Wetter. Das war schon in der Sowjetunion die größte Plage, neben dem kapitalistischen Ausland. Im Sommer war es zu heiß, im Winter zu kalt und im Frühjahr und Herbst entweder zu nass oder zu heiß oder zu kalt. Das System hat jedenfalls gestimmt und war nicht der Fehler. Aber das Wetter hat kein System. Es ist nicht einfach, als Kleingärtner die richtige Mischung von Spontaneität und Planung zu finden. Das wusste auch schon der Psycho­loge und Hochschullehrer Peter Brückner, der den Ministerialen in einigen Kultusministerien eine richtige Nervensäge war, als er den großartigen Satz formulierte: »Revolutionäre Politik braucht ein Optimum an Disziplin und Ungehorsam.« Dieses Hin-und-her-Wogen zwischen Spontaneität und Planung beschreibt die täglichen Mühen des Kleingärtners. Aber es lohnt sich. Das Saatgut ist jedenfalls hergerichtet. In der nächsten Kolumne werde ich hoffentlich die dicken Bohnen und Zuckererbsen unter der Erde haben. Wenn das Wetter mitspielt.

Eilmeldung

Aufregung im Hühnerstall: Kurz vor Drucklegung gab es einen hinterhältigen Anschlag auf eines meiner drei Hühner. Ein Greifvogel (Bussard oder Habicht) ging zum Angriff über und stieß im Sturzflug auf das Huhn. Ruckzuck war es erledigt, sprich getötet. Der Angreifer riss es halb auf und weg war er. Das Rest-Huhn habe ich dann quasi beerdigt. Dort, wo die anderen liegen. Die Stelle ist markiert. Von sieben Hühner sind zwei übrig: ein Mal Fuchs, drei Mal Krankheit und jetzt eben. Schade, dass Greifvögel nicht vegan leben.

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