Datei:2009-2010 Flugschrift (10) Kinderarbeit - Wem nützt sie.pdf

Aus Archiv der Aktion 3.Welt Saar
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Flugschrift Winter 2009/2010

Kinderarbeit – Wem nützt sie?

Warum Kinderrechte der beste Schutz gegen Kinderarbeit sind.

Kinder arbeiten in der 1. wie in der3. Welt. Entscheidend ist nicht dieFrage, ob sie es tun, sondern wasund wie sie es tun: freiwillig, umsich Kon sum bedürfnisse zu be -friedigen oder gezwungen, um zuüberleben. Und: Wie sind ihre Ar -beitsbedingungen? Das Mitleid fürdie Schuhputzjungen und für Kin -der auf Baumwollfeldern in der 3.Welt verstellt den Blick auf dieGründe und Bedingungen von Kin -derarbeit. Ein pauschales Ver bothilft den Kindern nicht weiter,son dern verlagert das Problem indie Illegalität. Die Arbeitsbe din -gungen gehören ebenso auf denPrüfstand wie die Frage nach denNutznießern. Ein Plädoyer fürKinderrechte.

Sklaverei in Europa Es hört sich an wie ein Horrormärchen, istaber traurige Wirklichkeit: Hunderte vonKindern verschwinden jährlich aus europä -ischen Flüchtlingslagern, um überall in derEU zur Kinderarbeit gezwungen zu werden."Die Kinder kommen als Asylbewerber oderauf andere Art. Sie werden registriert,kom men in Aufnahmelager und nach eini-gen Tagen verschwinden sie. Wir wissennicht wohin. Aber man darf annehmen,dass sie ausgebeutet werden - auf demArbeitsmarkt, durch Betteln, Prostitutionoder Organ-Entnahme”, erklärt MortenKjaerum, Direktor der EU-Agentur fürGrundrechte. Seine Agentur stellte 2009einen umfassenden Bericht zum illegalenKinderhandel in der EU vor. (1) Er stelltfest: Ausbeuterische Kinderarbeit gibt esnicht nur in indischen Steinbrüchen, son-dern sie existiert vor unserer Haustür.

Gute Kinderarbeit –Schlechte Kinderarbeit In Deutschland gibt es dagegen auch ge -sellschaftlich anerkannte Kinderarbeit: DieArbeit von Ferienjobbern und Zeitungs -jungen wird mit Eigeninitiative und Selb -ständigkeit assoziiert. Von Verbot sprichthier niemand. Entscheidend sind die Ar -beitsbedingungen und die Rechte der Kin -der. Stattdessen werden aber die arbeiten-den Kinder in der 3. Welt auf die Rolle desSchutzbefohlenen reduziert, als passiveEmpfänger von Mitleid und Spenden.

Wäh rend die Kinder und Jugendliche inDeutschland arbeiten, um sich Konsum -wünsche zu erfüllen, müssen Kinder in derso genannten 3. Welt arbeiten um ihre Fa -milie zu ernähren. Sie helfen beim Lebens-unterhalt und bezahlen von dem Ver dienstihr Schulgeld.

Kinderarbeit für den Profit der Reichen Das ist eine Seite der Medaille. Die ande-re: Weltweit arbeiten über 200 MillionenKinder: Als ArbeitssklavInnen auf Baum -wollfeldern, in Steinbrüchen, in den Textil -fabriken der „Sonderwirtschaftszonen“ inAsien und im informellen Sektor ohne Ar -beitsverträge und Sozialleistungen alsSchuh putzerInnen, ZeitungsverkäuferInnenoder als Dienstmädchen in besser gestell-ten Haushalten. Jährlich kommen ca.22.000 Kinder bei Arbeitsunfällen umsLeben. Solange sie keine Rechte haben,sind sie das schwächste Glied in der Pro -duktionskette. Ein Drittel aller deutschenGrabsteine kommen aus indischen Stein -brüchen: Oftmals ist hier ausbeuterischeKinderarbeit im Spiel.

Verbot von Kinderarbeit hilftnicht weiter Den KinderarbeiterInnen wäre durch einstaatliches Verbot von Kinderarbeit aller-dings nicht geholfen. Im Gegenteil: Durchein Verbot von Kinderarbeit werden sie le diglich in die Illegalität abgedrängt undagieren in einem noch rechtloserenRahmen. Die ökonomische Notwendigkeitihrer Ar beit wird durch ein Verbot nichtaufgehoben, sondern eher noch verschärft.Was also tun? Die arbeitenden Kinderhaben konkrete Vorstellungen entwickelt,was in ihrem Leben anders und bessersein könnte. Sie fordern von den Industrie -län dern statt Programme zur Abschaffungder Kinderarbeit, die sie entrechten und indie Ille gali tät treiben, ein Ende der Aus -beu tung und der Verschuldung der Länderder 3.Welt, da die ungerechte Verteilungdes Reichtums der Welt die wesentlicheUr sache für ausbeuterische Kinderarbeitist. Solange keine Korrektur in den inter-nationalen Wirtschaftsbeziehungen vollzo-gen wird, dienen Programme zur Ab -schaffung der Kinderarbeit lediglich derBe ruhigung des eigenen Gewissens.

Wirtschaftswachstum fördert Kinderarbeit Der kontinuierliche Ressourcentransfer vonSüd nach Nord und Armut sind die Haupt -ursachen für ausbeuterische Kinder arbeit.Das Festhalten am Leitbild des stetigenWirtschaftswachstums führt neben ökolo-gischen Problemen auch zu einem (inter-)nationalen Wettlauf um die billigsten Ar -beitskräfte, die niedrigsten Steuern undum die gewerkschaftsfeindlichsten Ge-setze. Wirtschaftswachstum ohne verän-derte Rahmenbedingungen und gerechtereVerteilung von Gewinn und Profit wird zumMotor von Armut, Abhängigkeit und Aus -beutung der ArbeitnehmerInnen – überallauf der Welt. Der Druck auf die Kinderwächst und der Kreis schließt sich: Kinderund Jugendliche arbeiten für Hungerlöhneim rechtlosen Raum statt durch Aus bil -dung ihre Situation zu verbessern und ha -ben später kaum die Chance, mit eineranderen Tätigkeit außer als Tage löhnerihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Was kann konkret getan werden? 1. Kindermund tut Wahrheit kund -Hört auf die KinderSeit Ende der 70er Jahre organisieren sicharbeitende Kinder und Jugendliche. Siemüssen von internationalen Organisatio -nen wie der Internationalen Arbeitsor gani -sation (ILO) anerkannt werden. Sie müs-sen ihre Interessen vertreten und ihreRechte durchsetzen können - lokal, natio-nal und international. Die ILO formulierteinen internationalen Aktionsplan gegenKinderarbeit – in ihren Forderungen kommtMitbestimmung der Kinder selbst nicht vor.(2) 2006 enthielt eine große ILO-Studiezur Kinderarbeit die Feststellung, dassarbeitende Kinder und Jugendliche in denEntscheidungsprozess mit einbezogen wer-den müssen. (3) Erstmals wurden sienicht mehr bloß zu Objekten degradiert,sondern – wenn auch zaghaft – als Sub -jekte mit dem Recht auf Selbst- und Mit -be stimmung aufgefasst. Man fing an, dieKinder ernst zu nehmen und damit ihreProbleme und Belange.2. Kinderrechte sind MenschenrechteKindern und Jugendlichen wird durch dieUN-Kinderrechtskonvention ein eigenes Menschenrechtsinstrument zur Seite ge -stellt. Nach Ansicht dieser Konvention be -steht der relevante Unterschied zwischenKindern und Erwachsenen darin, dass Kin -der als Heranwachsende von ihren Rechtenerst zunehmend einen eigenständigen Ge -brauch machen können. Das begründet denbe sonderen Schutz ihrer Rechte. Dahersind jede Art von Kinderhandel, Prostitu -tion, die Instrumentalisierung von Kindernfür Krie ge, Drogenhandel oder Porno -graphie Ver brechen gegen die Menschen -rechte. Dazu gehört aber auch mehr: Inmuslimischen Familien werden häufig be -reits kleine Mäd chen schon zum Kopftuch -tragen im Haus halt und in der Öffentlich-keit, zum Beispiel in der Schule, gezwun-gen. Als erwachsene Frauen, die nie etwasanderes kennen ge lernt haben, tragen siedann später das Kopftuch „freiwillig“. Diesist keine Aus übung von Reli gionsfreiheit,sondern Mani pulation und Indoktrinationvon Schutzbe fohlenen. 3. Mit „Fairem Handel“ gegenKinderarbeitWenn Erwachsene in der 3. Welt genügendverdienen, wird der wirtschaftlichen Not -wendigkeit von Kinderarbeit die Grundlageentzogen. Dazu braucht es hier wie dorthandlungsfähige soziale Bewegungen undstarke Gewerkschaften. Der Faire Handelverbessert mit einem Aufschlag auf denWeltmarktpreis und mit seinen langfristigenHandelsbeziehungen und einer Vorfi nan -zierung die Situation der Produzenten: Gu -tes Geld für gute Produkte. Fairer Handelheißt also nicht einfach nur nett sein, son-dern eine gegenseitige Handelsbeziehungauf Augenhöhe zwischen gleichberechtig-ten PartnerInnen. Fast zumindest. 4. Kommunen kaufen Produkte ohne KinderarbeitDie Aufträge der Kommunen in Deutsch -land umfassen 360 Milliarden Euro. Mitetwa 60% aller öffentlichen Aufträge sindsie die größten Auftraggeber. In immermehr Städten bestehen Stadtratsbe -schlüs se, auf Produkte aus ausbeuteri-scher Kinderarbeit zu verzichten. So fasstedie Gemeinde Rehlingen-Siersburg aufAnregung der „Aktion 3.Welt Saar” imDezember 2005 als erste Kommune desSaarlandes einen entsprechenden Be -schluss. Im April 2007 schloss sich dersaarländische Landtag diesem Beschlussan. Ein wichtiger Anfang. Jetzt müssenweitere Kommunen nachziehen.

Mit Kinderarbeit wird’s billig. Im real existierenden Kapitalismus istKinderarbeit an der Tagesordnung. Maloffen, mal verdeckt. Ohne Kinderarbeitwäre vieles nicht so billig. Sobald aberKon sumentInnen nachfragen und keineProdukte mehr aus ausbeuterischer Kin -derarbeit kaufen und soziale wie gewerk-schaftliche Bewegungen Kinderarbeit zuihrem Thema machen, kann sich etwasändern. Ebenso richtig ist es, seitens Ge -werkschaften und politischen Organisa -tionen gegen den Billig-Wahn von Lidl &Co. vorzugehen und die massenhafte Ver -letzung von ArbeitnehmerInnenrechten hierund in der 3. Welt sowie die Preisdrücke -rei gegenüber Bauern in Deutschland zubrandmarken. Soziale Gerechtigkeit istnicht teilbar, weder nach Nationalgrenzennoch nach Alter. Billig hat eben seinenPreis: Ausbeuterische Kinderarbeit in der3. Welt und die Missachtung von Arbeit -nehmerInnenrechten hier. Es sind zweiSeiten einer Medaille. Die Realisierungvon Kinderrechten ist ein Prozess, der ineine gesamtgesellschaftliche Utopie vonsozialer Gerechtigkeit eingegliedert seinmuss. Alles darunter bleibt meist ein vonMitleid getränkter Blick auf „die armenKin der da unten.“

Die „Aktion 3.Welt Saar“strebt eine Welt an, in derjeder Mensch frei von Armut,Existenznot und Unter -drückung nach seinen Vor -stellungen leben kann.Zentrales Ziel ist deshalbSoziale Gerechtig keit undein gleich berechtigter Zugriffzu den materiellen und kul-turellen Ressourcen einerGesellschaft. Weil sie sichnicht anmaßt, andere zu ent-wickeln, hat sie kein Projektin der so genannten 3. Welt.Ihr Projektge biet heißtDeutschland. Sie ist imSaarland ansässig, arbeitetaber bundesweit. Als allge-meinpolitische Organisationäußert sie sich zu Themenwie Globali sierung, Ökologie,Er nährung, Hunger, Pop-Kultur, Asyl, Rassismus unddem neuen wie alten Antisemitismus.

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